Kleidung - Geschnürte Schuhe

Frontal geschnürte Schuhe
(ca. zw. H. 13. - 15. Jahrhundert)
Der Verbrauch an Schuhen des mittelalterlichen Menschen war vermutlich recht hoch. Gesinderechnungen aus dem späten Mittelalter verzeichnen mehrere Paar Schuhe als Teil der Vergütung pro Jahr, und über nahezu keinen Teil der Kleidung ist auf Grund sehr zahlreicher Funde so viel bekannt wie über Schuhe.

Schuhe wurden bis Ende des Mittelalters in Wendetechnik hergestellt, bei der das Oberleder mit der Sohle im umgedrehten Zustand vernäht wurde, und dann umgestülpt, also gewendet wurde, so daß die Naht innen lag.

Gegen 1500 beginnt sich dann eine neue Verarbeitungstechnik durchzusetzen; Schuhe werden zunehmend rahmengenäht, jedoch dauert es noch etliche Jahre, bis auch auf dem Land die traditionelle Herstellung verdrängt wird.

Aus den mittelalterlichen Schuhformen eine Regionalität abzulesen, ist schwierig. Unter den tausenden gefundenen Originalen aus Fundkomplexen wie London, Schleswig, Konstanz etc. finden sich sehr viele baugleiche Modelle. Auch durch Langlebigkeit überzeugen manche Ausführungen: Schuhe wie die vorliegenden wurden über nahezu das gesamte späte Mittelalter bis in die Renaissance getragen.

Die Form der Schuhe richtete sich vornehmlich nach dem Verwendungszweck, dem Geldbeutel des Besitzers, und sekundär nach modischen Einflüssen. Zu Beobachten ist, dass die Schuhform mit dem Spätmittelalter zunehmend Spitz wird, bevor in der Renaissance wieder sehr flache Schuhe (Kuhmaulschuhe) modern werden. Zeitweise treten modische Sonderformen wie die Schnabelschuhe (-> Durchbrochene Schnabelschuhe ) auf, die jedoch durch ihren geringen Praxiswert nicht für die alltägliche Arbeit taugen.
Hier werden eher stabile, feste Schuhe gewählt.

Alte Schuhe werden entweder weggeworfen, oder beim Flickschuster geflickt: hierzu werden z.B. Sohlenflicken aufgesetzt, die auch eine dünn gewordene Sohle stabilisieren (das vorliegende Paar ist mit solchen Sohlenflicken ausgestattet).
Ist ein Schuh dertartig verschlissen, dass er nicht mehr geflickt werden konnte, wurde er häufig weggeworfen, aber auch an den Altmacher weitergegeben, der aus verschiedenen kaputten Schuhen ein tragbares paar produzierte, wodurch sich selbst ärmste Leute Schuhe leisten konnten.

Entgegen häufig geäusserter Meinung waren im Mittelalter sowohl sehr passgenaue, als auch linke und rechte Schuhe bekannt, und vertreten, und es lassen sich kaum wirkliche "Damenschuhe" identifizieren: Darstellungen zeigen insbesondere arbeitende Frauen durchaus in stabilen, überknöchelhohen Schuhen.
 

Vorlage

Die vorliegenden Schuhe wurden in Wendetechnik aus Ziegenleder nach einem Fund aus Konstanz angefertigt. Schuhe ähnlicher Art finden sich in zahlreichen anderen Fundkomplexen, z.B. Schleswig, London oder Bad Windsheim in Oberfranken, nahe Nürnberg.
Dieses Modell ist relativ langlebig, und ist besonders vermehrt ab dem 14ten Jahrhundert nachweissbar. Ähnliche Schuhe werden auch in der Mendelschen Zwölfbruderstiftung in Nürnberg dargestellt, und sind in zahlreichen spätmittelalterlichen Gemälden der Oberrheinregion und Süddeutschland nachzuweisen, z.B. in Nürnberg, Lorenzkirche.
(In unserem Besitz seit 05/2005 / Stand 01.12.2009)
 

Quellangaben

Spätmittelalterliche Funde aus dem Spital in Bad WindsheimFunde aus dem Spital in Bad Windsheim, Franken, nahe Nürnberg. Schuhe, Keramik, Holzfunde, Glas usw., datiert auf das späte Mittelalter.
Spätmittelalterliche Gemälde aus NürnbergVerschiedene Gemälde aus Nürnberg (Nürnberger Lorenzkirche, Germanisches Nationalmuseum), aus dem Zeitraum 1380-1500.
Ausgrabungen in KonstanzAusgrabungen in Konstanz am Fischmark: Paternosterperlen, Reste von bearbeiteten Knochen, Holz-und Lederfunde
Das Hausbuch der Mendelschen ZwölfbruderstifungDie Abbildungen des Hausbuches der mendelschen Zwölfbruderstifung aus Nürnberg, frühes 15tes bis frühes 16tes Jahrhundert, zeigt vielerlei Handwerksberufe und ihre verwendeten Werkzeuge sowie Produkte, und stellt eines der bedeutensten Werke des Spätmittelalter in Bezug auf Handwerk, speziell in Nürnberg, dar.
Schuhfunde aus SchleswigSchuhfunde aus dem mittelalterlichen Schleswig
Schuhfunde aus LondonIm Hafenbecken von London wurden zahlreiche Funde aus dem hoch-und spätmittelalterlichen London geborgen.
 

Empfohlene Literatur


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Der Windsheimer Spitalfund aus der Zeit um 1500
Walter Janssen, Verlag des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg
Beschreibung des spätmittelalterlichen Fundkomplexes aus dem Spital in Bad Windsheim, Franken, Nahe Nürnberg. Beschreibt Funde aus dem fränkischen Raum um Nürnberg, wie Schuhe, Drechslerware, Glas, Keramik usw.
3926982381 (German).
 

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. Die mittelalterlichen Schuhe aus Schleswig .
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Die mittelalterlichen Schuhe aus Schleswig
Christiane Schnack, Wachholtz Verlag
Diese Beschreibung der Schuhfunde aus dem mittelalterlichen Schleswig bietet für den an Replikation und Handwerk interessierten Darsteller gut kompremierte Informationen über die Befundlage, und glänzt mit zahlreichen S/W Bildern der Funde, die einen Nachbau in vielen Fällen einfach werden lässt. Neben den Werken aus der Londonreihe stellt dieses gerade für deutschen Boden und die norddeutsche Region ein wesentliches Standardwerk zum Thema dar.
3529014605 (German).
 

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. Shoes and Patterns (Medieval Finds from Excavations in London) .
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Shoes and Patterns (Medieval Finds from Excavations in London)
Francis Grew, Margrethe De Neergaard, Susan Mitford, The Boydell Press
Das in der Reihe über die Londonfunde erschienene Buch stellt mit eines der Standardwerke über mittelalterliche Schuhfunde dar. Detailliert wird Konstruktion, Entwicklung und Material der Funde aus dem mittelalterlichen London beleuchtet.
1843832380 (German).
 

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