(ca. 1450 - 1500)
Im Verlauf der ersten Hälfte des 15ten Jahrhunderts entwickelt sich aus dem Eisenhut, der jahrhundertelang der wichtigste und beliebteste Helmtyp des Bewaffneten zu Fuss war, der Schaller. Von diesem Helmtyp ist eine große Bandbreite von verschiedenen Formen nachweisbar, offenbar mit stark regional bzw. national unterschiedlichen Formenvorlieben.
Gerade vor 1470 dominiert der Schaller "burgundischen" Typs, so benannt durch die italienischen Hersteller ob der Vorliebe franzöischer Kunden für diese Ausführung, der im Gegensatz zu dem "deutschen" Schaller einen kurzen (und ungeschobenen ) Nacken aufweist, und oft ein volles oder aufschlächtiges Visier besitzt. Schaller "englischen" Typs, aber auch einige "französische" Modelle, besitzen teils eine stark konisch zulaufende Helmglocke, und wurden den Darstellungen nach oft mit Vergoldungen und zentralen Federhaltern versehen. Darüber hinaus gibt es viele verschiedene Mischformen. Besonders im süddeutschen Raum dominiert scheinbar bei Fusstruppen, sofern ein Schaller getragen wurde, vor 1470 der "burgundische" Typus, der in Italien in großen Mengen zum Export hergestellt wurde. Moderner, und scheinbar vermehrt aus den süddeutschen Produktionsstätten wie Nürnberg stammend, sind die Schaller mit langem Nacken, die erst sehr spät mit einem Geschübe versehen wurden. Eine eindeutige regionale Zuordnung des Typus ist unserer Meinung nach nicht möglich, da bei der breiten Masse billig produzierter, einfacher Helme aus Italien sowohl auf diese, als auch auf einheimische Modelle zurückgegriffen wurde, ebenso ist keiner der beiden Typen direkt mit einer Truppengattung verbunden. Charakteristisch für den Schaller ist seine auslandende Helmglocke. Eine Abart stellt die italienische Celesta und Barbute dar, letztere ist jedoch vermutlich eher aus der
Beckenhaube
(->
Beckenhaube mit Nasal
) entstanden. Der Schaller schützt nur die obere Gesichtshälfte bis unterhalb der Nase, was einerseits die Atmung sehr erleichtert, andererseits aber die untere Gesichtshälfte unsbesondere für Stiche verwundbar macht. Um dem abzuhelfen, lässt er sich entweder mit einem
Ringpanzerkragen
kombinieren, der wiederrum nur den Hals schützt, oder aber alternativ oder in Kombination mit einem
Vorschnallbart
.
Im Gegensatz zu Darstellungen im französischen Raum ist die Menge an im deutschen Reichsgebiet nachweisbaren Verzierungen bei Helmen deses Typs begrenzt. Einige Bildquellen wie auch Statuen bzw. Grabplatten zeigen Haltungen für Federn entweder seitlich, oder zentral vorne am Visier.
Weitere zugehörige Harnischteile in diesem Zeitrahmen
Kopf
Ringpanzerkragen
Vorschnallbart
Torso
Rüstwams
Spätgotischer Brust-und Rückenharnisch
Arme
Spätgotische Panzerhandschuhe
Einfaches knechtisches Armzeug
Spätgotische Schwebscheiben
Ringpanzerärmel
Beine
Ringpanzerhose
Beintaschen
Spätgotisches Beinzeug
Vorläufer früherer Jahrhunderte
Beckenhaube mit Nasal
Beckenhaube mit Klappvisier
Kübelhelm
Der vorliegende
Schaller
ist von der Form her ein Beispiel für die in Italien für den Export hergestellten Helme er wird aber auch in weiten Teilen Süddeutschlands getragen, und ist z.B. in schwäbischen Handschriften oft nachweisbar, sowie bereits ab ca. 1443. Er ist nach verschiedenen Vorlagen gefertigt worden, unter anderem einem Helm dieses Typs aus der Rüstkammer Curburg (Primäre Vorlage: Churburg CH S21), aber auch zahlreichen anderen erhaltenen Exemplaren dieses Typs, u.a. aus Wien und Berlin. An dem im Inneren eingenieteten Lederstreifen ist wie bei der Vorlage ein Innenfutter aus gesteppten
Leinen
eingenäht, das mit Pferdehaar gefüllt wurde (Vorlage u.a.: "schwarzer
Schaller
" im Inventar der Rüstkammer Churburg, CH S18, sowie vergleichbares Exemplar, Royal Armouries, Leeds).
Die Schnalle aus Buntmetall ist ein Abguß eines Originals aus Deutschland, Endbeschlag und Schnallenblech basieren auf verschiedenen Verzierungen von Rüstungen süddeutscher Herkunft.
Die Ziernieten zur Befestigung des Helminnenfutters basieren auf verschiedenen Originalen und Darstellungen, wie z.B. einigen Helmen in den Royal Armouries in Leeds. Die Verzierung an der Visiernietung stammt von der Grabplatte von Ulrich Busch
, Anbringung des Federbuschhalters wurde nach verschiedenen Darstellungen des betreffenden Zeitrahmens vorgenommen, vergl. z.B. die Darstellung des heiligen Georgs auf dem Altarbild von Friedrich Herlin in Nördlingen.
Wir bedanken uns bei
Christian Wiedner
für gute Arbeit. Schnallen-und Endbeschlag, Fütterung: Jens Börner, Ziernieten:
Matthias Goll.
Fotos mit freundlicher Genehmigung von
Christian Wiedner
.
(In unserem Besitz seit 06/2011 / Stand 23.09.2013)
Gothaer Codex von Meister Hans Talhoffer
Sogenannter zweiter Gothaer Codex von Meister Hans Talhoffer, datiert ca. 1467. Handschrift mit zahlreichen Abbildungen zum Fechten mit dem langen Schwert, Ringen, Duellkampftechnik, Dolchkampf etc. Bedeutendes Werk in der Tradition Johannes Liechtenauers (zweite Hälfte 14tes Jahrhundert). Ohne dessen Lehre jedoch nicht interpretierbar. Hervorragende Bildquelle für süddeutsche Kleidung und Rüstung 1460-70. Talhoffer brachte eine ganze Reihe von Werken zum Fechten und Kampf heraus, merh bei
Wikipedia
.
Schaller aus der Waffensammlung der Churburg
Schaller aus der Waffensammlung der Churburg, zweite Hälfte 15tes Jahrhundert
Schaller aus dem deutschen historischen Museum Berlin
Schaller aus dem deutschen historischen Museum Berlin, Zeughaus, insbesondere Inv. Nr. W.624, W.626, W.616
Ulrich von Richental, Konzil von Konstanz
Ulrich von Richental, Konzil von Konstanz. 1465-75, kolorierte Federzeichnung, Schwaben. Code 3044 Fol. 81v der Österreichischen Nationalbibliothek
Reiter mit Schaller, c. 1489-92
Reiter mit Schaller, ca. 1489-92, Kloster Neuburg, Österreich, Stiftsgalerie
Bewaffneter mit Schaller
Bewaffneter mit Schaller, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Gemälde, spätes 15tes Jahrhundert
Schaller in den Royal Armouries
Schaller in den Royal Armouries in Leeds, England. Aufschlächtiges Visier, erhaltenes Innenfutter. Schaller burgundischen Typs mit kurzem unteren Visierrand.
Burgundische Schaller, Wien
Burgundische Schaller, Waffenkammer des kunsthistorischen Museums Wien, zweite Hälfte 15tes Jahrhundert
Wolfegger Hausbuch
Hausbuch des Fürsten von Waldburg-Wolfegg, ca. 1475-85, auch "Wolfegger Hausbuch". Eine der bedeutensten Quellen für spätmittelalterliche, süddeutsche Mode.
Schillingchronik
Berner Chronik oder Schlinngchronik, eine von Diebold Schilling dem Älteren verfasste Chronik der Burgunderkriege, ca. 1474-83.
Altarbild: Der heilige Georg
Hochaltar der St. Georgskirche in Nördlingen, heute im historischen Museum. Sankt Georg. von Friedrich Herlin, um 1460. Sankt Georg trägt italienischen Exportschaller mit zentralen Federstutz und Straußenfeder.
Grabplatte von Ulrich Busch
Grabplatte von Ulrich Busch zu Vilsheim, um 1482, Bayrisches Nationalmuseum in München. Italienischer Exportschaller mit Lilienverzierungen nahe dem Visierscharnier.
Grabmal des Ulrich von Helfenstein
Epitaph Ulrich von Helfensteins (†1361, Grabplatte um 1460),Kapitelsaal Kloster Blaubeuren
Grabplatte Dieter von Handschuhsheim
Grablege von Diether V. von Handschuhsheim, gestorben 1487, St. Vitus-Kirche Handschuhsheim, Heidelberg
Talhoffers Fechtbuch. Gerichtliche und andere Zweikämpfe darstellend
Hans Talhoffer , Gustav Hergsell, VS Books
Das schon berühmt- berüchtigte Buch bringt den zweiten Gothaer Codex von Hans Talhoffer in schwarz-weiss Bildern heraus, und gibt ihn mit einem mehr oder weniger fachkundigen Vorwort dem Leser als Mittel an die Hand, etwas über das spätmittewlalterliche Fechten zu lernen. Bedauerlicherweise ist dies allein mit diesem Werk unmöglich. Hans Talhoffer, in der zweiten Hälfte des 15ten Jahrhunderts wirkend, stand in der Tradition der Lehre Johannes Liechtenauers (zweite Hälfte 14tes Jahrhundert), und ohne dessen Lehre zu kennen, ist die Interpretation der oftmals mitten in der Bewegung eingefrorenen Figuren unmöglich. Dennoch bietet das Buch eine schöne, wenn auch farblose, Darstellung spätmittelalterliche süddeutscher Mode und Rüstung.
3932077032 (German)
Venus und Mars: Das Mittelalterliche Hausbuch aus der Sammlung der Fürsten zu Waldburg Wolfegg
Graf zu Waldburg Wolfegg, Prestel Verlag
Das mittelalterliche Hausbuch stellt mit seinen 63 illustrierten Pergamentblättern mit bürgerlichen und adligen Leben, sowie Illustrationen technischer Geräte, eines der bedeutensten Bildwerke spätmittelalterlicher deutscher Bildkunst dar, und ist eines der besten Quellen für spätmittelalterliche, süddeutsche Mode, insbesondere im Raum Augsburg bis Nürnberg.
379131839 (German)
Die Welt der Schweizer Bildchroniken
Carl Pfaff, Edition91
Hervorragendes Buch über die Schweizer Bildchroniken aus den Jahren 1470 bis 1515, mit Übersicht spätmittelalterlichen Lebens in der Schweiz und guten Quellen zu süddeutscher Mode.
3905515017 (German)
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