Rüstung und Waffen - Bastardschwert

Langes Schert vom Oakeshott Typ XV mit mittellangem Gehilz
Schwert, in der Scheide steckendPlatzhalter
(ca. 1350 - 1480)

Begrifflichkeit

Während in der modernen Waffenkunde allerlei, primär neuzeitliche, Begriffe wie etwa "Bastardschwert", "Anderthalbhänder" oder "Schwert zu anderthalb Hand" benutzt werden, war der mittelalterliche Mensch hier wesentlich wahlfreier, und benutzte schlicht oft nur "Schwert". Genauer unterschieden wird dieses nur von Zeit zu Zeit, und es tauchen Begriffe wie "Burgundisches Schwert", "Kurzes Schwert", "Schlachtenschwert", "großes Kriegsschwert (deutscher Art)" auf, die sich aber nahezu allesamt heute nicht mehr genau eingrenzen lassen. Erst spätmittelalterliche Fechtbücher, die sich mit der Verwendung (auch) zweihändig geführter Schwerter ab der zweiten Hälfte des 14ten Jahrhunderts befassen, führen den einigermaßen auf sicheren Füssen stehenden Begriff des "langen Schwertes" ein, der sich zunächst eher auf die zweihändige Benutzung, und erst in der Folge zunehmend auf die Waffe bezieht. Dem gegenüber steht die Erwähnung des "Zweihänders" (z.B. Froissart: "espée à duex mains") ab dem 14ten Jahrhundert, den man synonymisch für eine (primär oder auch)= zweihändig geführte Waffe benutzen kann. (für eine genauere Diskussion empfehlen wir: Tilman Wanke: "Klassifikation, Nutzung und Bezeichnung der großen Schwerter des Spätmitelalters und der frühen Neuzeit" in: Zeitschrift für Waffen und Kostümkunde 02/2009)

Entwicklung

Eine genaue Entwicklungslinie dessen, was wir als "langes Schwert" bezeichnen, zu zeichnen, würde den Rahmen dieser Seite sprengen. Verkürzt wiedergegeben entwickelte sich im Verlaufe des 13ten Jahrhunderts eine Variante des bis dato primär einhändig geführten Schwertes mit längerem Griff, das bei Weglassen des bis in das 14te Jahrhundert verbreiteten Schildes als Zweitwaffe im Gefecht mit dem Schwert eine neue Fechtweise mit beiden Händen begünstigte, und teilweise bis zu diesem Zeitpunkt noch eine Größe besaß, mit der er auch einhändig geführt werden konnte. Dieser Waffentypus erfuhr mit der zunehmend durch Plattenteilen (->Kleine Kniebuckel, Große Kniebuckel, Segmentarmschienen, Beinschienen, Frühe Schwebscheiben)verstärkten, und somit gegen Hiebe, und am Torso (->Plattenrock) auch zunehmend gegen Stiche unempfindlichen Rüstung eine immer stärkere Verbreitung. Diese Entwicklung, die vermutlich in Deutschland begann, da die ersten Erwähnungen von Schwertern "deutschen Typs" oder "deutscher (Eigen-)art" sprechen, lässt sich anhand der in der zweiten Hälfte des 14ten Jahrhunderts erstmalig nachweisbaren Fechtbücher, die die Fechttechnik mit diesen beschreiben, bis in das 17te Jahrhundert verfolgen. Während frühe Exemplare bis in die erste Hälfte des 15ten Jahrhunderts noch moderate Dimensionen besitzen (wie das hier vorgestellte Beispiel), wächst die Größe von Klinge und Gehilz im Verlaufe der zweiten Hälfte des 15ten Jahrhunderts, bis in das 16te Jahrhundert zunehmend an (siehe: Langes Schwert), wobei jedoch weiterhin kürzere Exemplare im Gebrauch bleiben.

Vergleichsexemplare und Schwerter andereren Typs

 

Vorlage

Bei diesem Schwert handelt es sich um eine stumpfe Ausführung für die Rekonstruktion historischer Fechttechniken und das Schlachtenreenactment eines Schwertes des Typs Oakeshott XVa. Die für diesen Typ charakteristische , kontinuierlich sich verjüngende Klinge wird durch den stumpfen Ort (Spitze) abgewandelt, womit sie einer des Typs XVIIIa ähnelt (-> Langes Schwert). Es besitzt mit einer Klingenlänge von rund 90cm, und einer Gehilzlänge von 25cm moderate Dimensionen, wie sie insbesondere bei Varianten dieser Waffenart vor der ersten Hälfte des 15ten Jahrhunderts zu beobachten sind, und sich ob ihres universellen Einsatzzweckes später noch häufig bei Truppen zu Fuß, und an Grabplatten nachweisen lässt. Durch die gegenüber eher einhändigen Versionen des Typs Oakeshott XV schlankeren Dimensionen bzw. größeren Länge, handelt es sich um die Untervariante Oakeshott XVa.

Es handelt sich hier nicht um eine konkrete Rekonstruktion eines bestimmten Schwertes, sondern es wurden Charakteristika verschiedener erhaltener Originale übernommen. Der Scheibenknauf ist ein recht langlebiger Knauftypus, der insbesondere bei langen Schwertern vor 1400 oft nachzuweisen ist. Das große, gebogene Kreuz findet sich an einer ganzen Reihe erhaltener Schwerter schon bereits vor 1300, und macht diese Ausführung ebenfalls zu eine recht altmodische solche, Gehilze dieser Art werden im Verlaufe des frühen 15ten sukzessive seltener bei zweihändig geführten Waffen, bleibt aber besonders in Italien und Frankreich bei einhändigen Waffen noch in Gebrauch.
Der über einer Griffwicklung aus dicken Garn auf einem Holzkern gefasste Ledergriff ist auf seine Basis aufgeleimt, und nicht genäht, eine Praxis, wie sie bei einigen langen Schwertern im Bestand des kunsthistorischen Museums Wien nachzuweisen ist.

Die aus mit Leder überzogenem Holz gefertigte Scheide ist mit einem einfachen Ortblech aus Eisen verziert, und besitzt eine Gurtbefestigung aus zwei Schlaufen. Diese einfache Aufhängung ist in Gemälden des späten 15ten Jahrhundert, sowie in handschriftlichen Darstellungen des 14ten Jahrhunderts insbesondere bei Schwertern längeren Typs (gegenüber einhändig geführten) oft nachweisbar. Ihr gegenüber steht die eher horizontale Aufhängung mit geflochtenem Riemen (-> Langes Schwert), die für Schwerter mit noch größeren Dimensionen nötig ist, sowie die in der ersten Hälfte des 14ten Jahrhundert gebräuchliche, in die Scheide eingearbeitete (->Einhändiges Schwert), und die Weiterentwicklung dieser mittels Ringen und Beschlägen (->Breites einhändiges Schwert).

(Schwert und Scheide: Arma Bohemia)

Abweichend von den Originalen ist dieses Exemplar stumpf ausgeführt, und ist dadurch etwas schwerer (Originale dieser Größe ca. 1400 - 1800g).

Näheres zur Oakeshott-Klassifikation bei Wikipedia.
Eine schöne Auflistung verschiedener Originale und ein Abriss der Entwicklung dieses Schwerttypes findet man bei MyArmoury

Kreuzformen, Schwertlängen, Scheidenaufhäng. u. Knaufformen bei Statuen und Darstellungen, 14/15.Jhd
(In unserem Besitz seit 06/2010 / Stand 22.07.2016)
 

Quellangaben

Cod.Pal.germ.345Cod.Pal.germ.345 "Lohengrin" "und Friedrich von Schwaben" aus der werkstatt des Ludwig Henfflin (Stuttgart um 1470)
Grabplatte Albert II von BarbyGrabplatte Albert II von Barby, Saxen-Anhalt, gestorben 1358
Grabplatte des Herrn Friedrich von BickenbachGrabplatte des Herrn Friedrich von Bickenbach, gestorben 1353, Kloster Himmelthal, Bayern
Schwerter im Bestand des Kaiserburgmuseums NürnbergSchwerter im Bestand des Kaiserburgmuseums Nürnberg, Typen Oakeshott XIII, XIIIa, XV- XVII., u.a. Inv. W6, W7, W 3300, W8, u.a. Flussfund aus dem Main bei Würzburg, sowie aus der Donau bei Regensburg, 14-15.Jhd
Statuengruppe, Capella de Santa Llúcia, BarcelonaFrancesc de Santa Coloma, Capella de Santa Llúcia, Barcelona, Spanien, um 1350
Grabplatte des Herrn von Katzelnelnbogen Grabplatte des Herrn von KatzelnelnbogenGrabplatte des Herrn von Katzenelnbogen, gestorben 1357, Eberbach im Rheingau, sehr moderne Rüstung, vermutlich nach 1360
Holkham-Bibel Holkham-BibelHolkham Bibel, England, ca. 1330, English Library
Grabplatte des Raoul Chazos de LayeGrabplatte des Raoul Chazos de Laye, Haute Alpses, Frankreich. Gestorben 1303
Gefechtsdarstellung, Cod. Guelf 20.12, um 1350, BayernGefechtsdarstellung, Cod. Guelf 20.12, um 1350, Bayern, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Munderkinger PassionDie Munderkinger Passion des gotischen Hochaltars, datiert auf 1473
Grabfiguren des Charles de Valois und seiner FrauGrabfiguren des Charles de Valois (gestorben 1346) und seiner Frau in der Abtewikirche St. Denis, Paris, Frankreich
Statuen des Freiburger Münsters"Schlafende Wächter" am Münster in Freiburg im Breisgau, Deutschland, um 1340-50
Grabplatte von Wilhelm von Bopfingen Grabplatte von Wilhelm von BopfingenDie Grabplatte befindet sich in der evangelischen Pfarrkirche von Bopfingen und wird auf 1359 datiert. Auffällig ist die realtiv altmodische Rüstung, die aus Plattenrock, Ringpanzer, Armschienen, Panzerhandschuhen, Beckenhaube, Kniebuckeln und Beinschienen besteht, letztere Über Ringpanzerbeinlingen, die Kniebuckel in bereits ausgeprägter Form. Diese Art der Rüstung ist im deutschen Raum noch bis ca. 1370 anzutreffen, wird aber zunehmend durch tailliertere Torsopanzer und komplette Beinzeuge ersetzt.
Hausbuchmeister, 15tes JahrhundertDarstellungen der oder des sogenannten "Hausbuchmeisters", benannt nach seiner/ihrer Arbeiten am Hausbuch von Schloss Wolfegg. Genauere Bezeichnung wären "Meister des Amsterdamer Kabinetts", da es sich um vermutlich mehrere Personen handelten, deren Grossteil an Arbeiten sich heute im Amsterdamer Rijksmuseum zu finden sind. Der oder die vor allem am Ober-und Mittelrhein täten Künstler waren mit ihrer Arbeit wegweisend für die spätmittelalterliche Kunst, und gehörten neben Schongauer zu den bedeutensten deutschen Kupferstecher und Zeichner. Wirkungszeitraum ca. 1470-1505. Details siehe Wikipedia.
 

Empfohlene Literatur


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. Munderkinger Passion .
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Munderkinger Passion
Franz X Schmid, Josef Fink
48seitiges mit teils ganzseitigen Farbbilden des Altar ausgestattetes Werk über den Munderkinger Altar mit primär kunstgeschichtlicher Analyse
3933784972 (German).
 

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. Venus und Mars: Das Mittelalterliche Hausbuch aus der Sammlung der Fürsten zu Waldburg Wolfegg .
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Venus und Mars: Das Mittelalterliche Hausbuch aus der Sammlung der Fürsten zu Waldburg Wolfegg
Graf zu Waldburg Wolfegg, Prestel Verlag
Das mittelalterliche Hausbuch stellt mit seinen 63 illustrierten Pergamentblättern mit bürgerlichen und adligen Leben, sowie Illustrationen technischer Geräte, eines der bedeutensten Bildwerke spätmittelalterlicher deutscher Bildkunst dar, und ist eines der besten Quellen für spätmittelalterliche, süddeutsche Mode, insbesondere im Raum Augsburg bis Nürnberg.
379131839 (German)
 

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Vom Leben im späten Mittelalter. Der Hausbuchmeister oder Meister des Amsterdamer Kabinetts
J. P. Filedt Kok, Rijksmuseum Amsterdam
Ausstellungskatalog des Rijksmuseum Amsterdam zur gleichnamigen Ausstellung 1985. Universelles Werk zur Mode im späten 15ten Jahrhundert, insbesondere in Deutschland, sowie dem genannten Meistern des Amsterdamer Kabinetts und anhängiger Kupferstecher und Maler. Absolutes Muss für Darsteller des späten 15ten Jahrhunderts in Deutschland.
66137-92594 (German).
 

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