Kleidung - Kittel mit geknöpften Unterarmen

An den Unterarmen und Hals geknöpfter Männerkittel
(ca. 1335-60 (je nach Region))

Bereits seit der Antike ist die männliche Oberbekleidung durch ein Kleidungsstück geprägt: dem Kittel. Auch "Tunika" genannt erscheint dieses in verschiedener Form bis in die frühe Neuzeit hinein, und wird erst im Zuge der stärker Moden unterworfenen, maßgeschneiderten Kleidung des späten Mittelalters zunehmend verdrängt. Jenseits dessen bleibt er dennoch noch längere Zeit bei der arbeitenden Bevölkerung in Gebrauch.

Als einer der zentralen Parameter ist die Länge anzusehen, die im Allgemeinen bei Männern klerikalen Standes, Würdenträgern verschiedener Art, und bei nichtarbeitenden Personen bis zu den Knöcheln reichen kann. Selbst nach der Vergeschlechterung der Mode um die Mitte des 14ten Jahrhunderts verbleibt der knöchellange Kittel (altfranzösisch Cotte, italienisch Cotta) bei z.B. Kaufleuten, bei zeremoniellen Anlässen, dem klerikalen Stand usw. in Gebrauch.
Desweiteren variiert die Art des Halsausschnittes, der entweder groß genug verblieb, um hineinzuschlüpfen, oder enger geschnitten wurde, und dann mittels Schnüren, einer Fibel , oder Knöpfen verschlossen wurde.

Ab ungefähr den 30ger Jahren des 14ten Jahrhunderts zeigt sich ein Wandel in der Form des Kittels. Der bis dato eher weit geschnittene Torso wird zunehmend körpernah gefertigt, die bis zu diesem Zeitpunkt üblichen Falten oberhalb des Gürtels beginnen zu verschwinden. Längere Öffnungen am Hals, die schliesslich in einer frontalen Verschlussmethode münden, erlauben es, den Kittel nunmehr vollends eng zu schneidern. Auch die Unterarme, die bereits im 13ten Jahrhundert einen engeren Zuschnitt erhalten haben, werden nunmehr mittels Knöpfen verschlossen, die eine sehr körpernahe Passform erlauben, ein Merkmal, die für das 14te Jahrhundert typisch werden soll. Auch der Rockteil wird zunehemnd variiert. Der bis zu diesem Zeitpunkt durch einige wenige Keile gegenüber dem ohnehin schon weiten Torso verbreiterte Rock wird nun oft stark gefältelt. Gleichzeitig mit einer schrittweisen Verkürzung beginnt in den 40ger bis 50ger Jahren in Frankreich wiederrum eine Verknappung des Rockes modischer Kittel, der nunmehr körpernah, frontal verschlossen, mit engen Ärmeln, und nur noch die Oberschenkel bedeckend gefertigt ist, und somit in französischen Texten die Bezeichnung "cote hardie" ("gewagter Kittel") erhält.

Durch die zusehends komplizierten Schnitte erlebt auch die Textilindustrie einen wahren Boom, und neue Berufsgruppen, wie die des \"Tailleurs\" (vergl. engl. Tailor), des Schneiders im Sinne eines Schneiders für körpernahe, angepasste Schnitte, entstehen.
In der Folge der knapperen Mode wird auch die Beinbekleidung einem Wandel unterzogen. Blieb bis dato der Beinling (-> Beinlinge ), frontal an der Unterhose befestigt, noch mehr oder weniger durch den Kittel verborgen, tritt er nun bis hin zum Oberschenkel zu Tage, was die Notwendigkeit nach sich zieht, für einen dauerthaft engen Sitz zu sorgen, der selbst bei engem Zuschnitt durch diese Art der Befestigung nicht gewährleistet ist. Es entstehen neue Formen, die, wesentlich höher zugeschnitten, bis zum Schritt reichen, die Seiten und später sogar das Gesäß nahezu vollständig bedecken, und mit mehreren Nesteln zunächst an Unterhose, und später am Wams befestigt werden.

Entwicklungslinie des Kittels von der ersten Hälfte des 13ten Jahrhunderts an:

 

 

Vorlage

Der Kittel wurde auf Basis verschiedener Bildquellen um 1335-50 vor allem im französisch-flämischen Raum gefertigt, äquivalente Kittel sind aber um 1350 auch in deutschen Darstellungen zu beobachten (vergleiche die Darstellungen rechts). Er besteht aus mit Reseda gelb gefärbter Wolle, und ist mit ebensolcher genäht. Halsausschnitt und Ärmelsäume sind mit Teilfütterungen aus Leinen (vergl. Funde aus London) sowie Knöpfen und Knopflöchern versehen.

Verschiedene Darstellungen von Männerkittel 1335-50, im Vergleich (A) flämisch-franz. (B) deutsch
(In unserem Besitz seit 05/2010 / Stand 09.06.2010)
 

Quellangaben

AlexanderromanDer Alexanderroman, vermutlich ca. 1338-44 in Flandern (aus der Hand des flämischen Illustrators Jehan de Grise und seiner Werkstatt) entstanden, enthält Verse in französischem (picardischen) Dialekt und (ab 1400) Englisch über "Romance of the Good King Alexande" (über Alexander den Grossen), sowie illustrierte Berichte über die Reisen Marco Polos. Es stellt eine hervorragende Quelle für französische Mode um die Mitte- genauer der ersten Hälfte der 40ger Jahre- des 14ten Jahrhunderts dar.
Roman de la RoseHandschrift des französischen Roman de la Rose (ab 13.Jhd, Hier: Folianten um 1350-60). Der Roman de la Rose ist ein Versroman mit zentralem Minnethema und eines der wichtigsten Werke der französischen Literatur des Mittelalters. Er ist in zahlreichen Manuscripten von 1250 bis 1500 erhalten, und wurde auch später noch gedruckt. Damit hatte er einen massiven Einfluss auf die französische Literatur. Die zahlreichen Miniaturen der einzelnen Manuskripte machen diese zu einer hevorragenden ikonographischen Quelle des französischen Mittelalters. Mehr unter Wikipedia
BNF Fr 12, Lancelot du LacBNF Fr 12, Lancelot du Lac, Frankreich, 1350-60
Funde von HerjolfsnesIn dem Fundkomplex bei Herjolfsnes, Grönland, wurden zahlreiche Textilien des Zeitraumes 1300-ca.1420 gefunden, womit es eine der bedeutensten Fundquellen für spätmittelalterliche Textilien darstellt.
LondonfundeTextil-, Metall-, Buntmetall-, Holz-, Leder und Schuhfunde aus dem Hafenbecken von London
Kragelund KittelMittels Radiocarbonmethode auf 11/12. Jahrhundert datierter Kittelfund aus dem Kragelundmoor bei Viborg, Dänemark. Zentral und seitliche Gereneinsätze, mehrteilige Ärmel.
 

Empfohlene Literatur


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. Woven into the Earth: Textiles from Norse Greenland .
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Woven into the Earth: Textiles from Norse Greenland
Else Ostergard, Aarhus Universitetsforlag
Die Neuanalyse der Textilfunde im grönländischen Herjolfnes birgt an sich wenig spektakuläre Neuerungen gegenüber den ursprünglichen von Nordlund, durch die sehr plastischen Fotos der Originalstücke, der beigefügten Schnitte mit Maßen, den Kapitel über Textilverarbeitung in Grönland aber gewinnt das Buch einen ausserordentlichen Reiz für jeden Darsteller mit Interesse an Textilfunden.
8772889357 (German).
 

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. Dress Accessories, c.1150-c.1450 .
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Dress Accessories, c.1150-c.1450
Geoff Egan, Frances Pritchard, Boydell Press
Aus der Reihe "Medieval Finds from Excavations in London" bietet dieses Buch einen faszinierenden Überblick über die Funde mittelalterlicher Gürtel, Schnallen, Nadeln und anderer Accessoirs aus dem Hafen von London.
0851158390 (German).
 

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. Textiles and Clothing , C.1150-C.1450 .
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Textiles and Clothing , C.1150-C.1450
Elisabeth Crowfoot, The Boydell Press
Das Buch zu den Textilfunden aus dem Hafenbecken von London aus der Reihe der Londonfunde bietet neben der Analyse der Textilien interessante Details zur Textilindustrie speziell des 14ten Jahrhunderts in England, und stellt auf Grund der detaillierten Auswertungen der Verarbeitungstechniken, Materialien und Färbungen eine Pflichtlektüre für hoch-und spätmittelalterliche Textilrekonstruktion dar.
1843832399 (German).
 

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