| (ca. 1470 - 1500)Unser Bild von der "Ritterrüstung""Ritterrüstung" ist ein Begriff, der bei vielen Menschen im Zusammenhang mit dem Begriff des Mittelalters fest verankert ist, und meistens ist die dahinter stehende Vorstellung die eines geschlossenen Plattenpanzers, gerne auch "Plattenrüstung" getauft. Unser Bild wird dabei auch vor allem von den mehrheitlich aus nachmittelalterlicher Zeit stammenden, relativ groben Zeughausrüstungen in Museen oder Burgen geprägt, was auch wenig verwundern mag: gemessen an der riesigen Anzahl spätmittelalterlicher Rüstungen sind nur unglaublich wenige erhalten. Das, was wir in Museen vorfinden, ist häufig aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt, die nicht einmal zwangsläufig zueinander gehören müssen. Die wenigen Beschreibungen in den Museen selbst haben zur Folge, dass für den Besucher nicht einmal ersichtlich wird, dass es spezifische Stile gab, und vor was er denn nun eigentlich steht. |
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Die Entwicklung des PlattenpanzersIm 14ten Jahrhundert vollzieht sich in der Panzerung des mitteleuropäischen Kämpfers ein tiefgreifender Wandel. Neue Technologien, die aufkommenden Schusswaffen, stärkere Pfeil-und Bolzenwaffen und veränderte Taktiken verlangen eine stärkere, rigidere Panzerung insbesondere der Gliedmaßen und des Rumpes.Ergänzende, aufgeschnallte Zusatzpanzer aus Leder, Stahl oder in Kombination beider Materialien tauchen bereits im 13ten Jahrhundert auf, und prägen das Bild der Panzerung in den ersten drei Vierteln des 14ten Jahrhunderts. Der Plattenrock, ein zunächst tonnenförmiger Torsopanzer mit in einem Trägerstoff eingenieteten Metallplatten nimmt, der Mode folgend, zunehmend körperbetonende Formen an, und mit fortschreitender Entwicklung spaltet sich dessen Entwicklung in die der aus kleineren Plättchen bestehenden Brigantinenrüstungen auf, die vor allem im französischen und italienischen Raum in Gebrauch bleiben, sowie die auf den zusammengewachsenen Brustplatten und daran befestigten Rumpfspangen des Plattenrockes basierenden Brustpanzer. Zusammen mit den zu vollständigem Arm-und Beinzeug zusammenwachsenden einzelnen Plattenverstärkungen wie Armschienen (-> Segmentarmschienen), Kniebuckel, Beinschienen, Schwebscheiben führt die nunmehr nach aussen tretende eiserne Rumpfpanzerung, die nicht mehr in einen Träger hineingenietet wird, sindern nur noch lederne Bindeglieder benutzt, zur Ausformung des geschlossenen Plattenharnisches. Auch die Panzerhandschuhe folgen der Entwicklung, die bereits im 3. Viertel des 14ten Jahrhunderts die auf oder in Textilien oder ledernen Träger eingenieteten Platten, analog der restlichen Panzerung, zu aus einem Stück getriebene, eineinander verschiebbare Segmente verschmelzen lässt. Durch die Erfindung der Langlöcher und Gleitnieten werden schliesslich viele ehemals lederne oder textile Verbindungungen äusserlich rein durch ineinandergreifende Metallelemente abgelösst, so dass nördlich der Alpen das Bild des äusserlich ganzmetallenen Schutzanzuges entsteht, der nur an wenigen Stellen innenliegend weiterhin lederne Verbindungs-und Begrenzungselemente enthält. Diese Entwicklung erreicht um die Wende zum 16ten Jahrhundert schliesslich seinen Höhepunkt, womit der bereits ein Jahrhundert früher, als Abgrenzung zu dem aus einer Kombination aus Metall und Textil (-> Aketon, Diechlinge ) bestehenden Harnisches des 14ten Jahrhunderts geprägte Begriff "White Armour" ("Weisse/Blanke Rüstung") seine Erfüllung erlangt. Die Entwicklung der verschiedenen RüstungstileAuch bei der Entwicklung des Plattenpanzers zeigt sich das deutsche Reichsgebiet, wie bereits früher im 14ten Jahrhundert, als ausserordentlich langsam in seiner Entwicklung. Während Mitte des 14ten Jahrhunderts in England und Frankreich relativ bald geschlossenes Arm-und Beinzeug zu beobachten ist, hält man in Deutschland noch lange an Ringpanzerlementen mit Verstärkungen fest. Alleine der Torsopanzer lässt relativ bald geschlossene Brustplatten zu Tage treten. Während Italien mit einer großen Rüstungsindustrie bald die Vorreiterrolle bei der Fertigung der neuen Plattenpanzer in Europa übernimmt, und bis in die erste Hälfte des 15ten Jahrhunderts den glatt und abgerundet geformten typisch italienischen Harnisch entwickelt, der in seiner Funktion bereits so ausgereift ist, dass er bis Ende des Jahrhunderts nur wenige Veränderungen sieht, ist im deutschsprachigen Raum mit der der Entwicklung zum Kastenbrustharnisch eine eigene Entwicklung zu sehen. Diese nur durch sehr wenige erhaltene Stücke kaum im Bewusstsein der Menschen stehende, plump anmutende Harnischform verschwindet erst gegen Mitte des 15ten Jahrhunderts zugunsten der des filigranen deutschgotischen Stils, mit seinen feinen Durchbrüchen, Kannelierungen und Feilarbeiten.Das weiterhin auch ins Reichsagebit exportierende Italien dagegen bliebt weiterhin seinem runden Stil treu, in dem auch im Gegensatz zum deutschen Harnisch weiterhin äusserlich viele lederne Verbindungen benutzt werden. Eigenschaften und Varianten der PlattenrüstungMit der Ausbildung der Plattenrüstung entsteht auch eine völlig neue Ausführung der Rüstung: der Turnierharnisch. Diese speziell für die Bedingungen im sportlichen Turnier ausgelegten Rüstungen unterschieden sich teils erheblich von normalen Feldharnischen, und besitzen teils starr fixierte Helme und Arme, in die nur noch die Lanze angesteckt werden musste. Diese den Reiter in seiner Beweglichkeit stark einschränkenden "Sport"-geräte prägen bis heute das Klischee, ein Ritter im Plattenrüstung müsse auf sein Pferd mittels eines Kranes gehoben werden, oder könne sich, einmal gefallen, nicht mehr selber aufrichten. Tatsächlich ist die Beweglichkeit bei einem vollständigen Plattenharnisch für das Gefecht kaum verringert, und die im Schnitt 25-30kg wiegenden Rüstungen erlauben den Trägern teils akrobatische Leistungen. Mit seinen perfekt und geräuscharm ineinandergreifenden, sich verschiebenden Plattenelementen stellt der europäische Plattenharnisch des ausgehenden Mittelalters bis heute eine der technisch anspruchsvollsten, künstlerischsten, und an Effektivität in seinem Umfeld ungeschlagendsten technischen Leistungen von menschlicher Schutzbewaffnung dar.HerstellungszentrenBetrachten wir die Herstellungs-und Auslieferungsform der spätmittelalterlichen Plattenharnische, werden wir leicht von den modern anmutenden, europaweit spannenden Zuliefer-und Händlernetzen wie der der Mailänder Plattnerfamilie Missaglia überrascht. Je nach Geschmack und lokalem Stil der Käufer wie z.B. nach Frankreich "alla Francese", oder nach Deutschland "alla tedesca", wurden in italienischen Städten wie Mailand, Brescia, Florenz, Genua, Rom, Venedig oder Modena Harnische für den Export hergestellt, sowohl billige, in Massen einfach hergestellte Harnischbrüste, als auch teure Prunkharnische in Einzelauftrag für europäische Fürstenhäuser. Angesichts der Zahlen der ausgelieferten Plattenharnische nimmt sich die Zahl erhaltener geradezu winzig aus. Weitaus deutlicher wird dies jedoch, wenn wir Harnische anderer Provinenz suche: kaum als in England oder Frankreich hergestellte Harnischteile sind noch erhalten, und auch die Zahl deutschgotischer, nicht durch moderne Ergänzungen kompletierter deutscher Harnische ist verwindend gering.Deutsche HarnischherstellungszentrenNeben den bereits erwähnten italienischen Harnischschmieden erlangen jedoch auch im deutschsprachigen Raum etliche Städte Bekanntheit für ihre Harnische, allen vorran Städte in Süddeutschland wie Augsburg (z.B. Meister Lorenz Helmschmid), Innsbruck, Landshut (z.B. Familie Grosschedel) oder Nürnberg (Familie Lochner), und beliefern die Fürstenhäuser Europas. Selbst unter den einzelnen Herstellungszentren und -Familien sind noch heute stilistische Unterschiede ihrer Arbeiten erkennbar: fertigten manche im glatten, italienischen Stil, verwenden wieder andere insbesondere die Merkmale des deutschgotischen Stils.Nürnberger HarnischeNur wenige Nürnberger Plattner zuordnenbare Stücke des späten Mittelalters sind bis heute erhalten geblieben, obgleich Nürnberg im späten Mittelalter im ganzen Reichsgebiet bekannt für seine Harnische war. Da Nürnberg anders als andere Reichsstädte keine zugelassenen Zünfte besass, sind die Marken erhaltener Stücke nicht immer eindeutig zuordnenbar. Charakteristisch scheint aber eine gewisse Verspieltheit der Zierelemente für Stücke Nürnberger Provinienz zu sein.Darstellungen aus den Büchern der Mendelschen Zwölfbruderstiftung liefern uns Details der Arbeitsweise und die Namen einiger Plattnerfamilien: dargestellt wird unter anderem Ulrich Lochner, der vermutlich verwandt mit dem im frühen 16ten Jahrhundert berühmten Nürnberger Plattner Kunz Lochner war. Harnische aus Nürnberger Produktion unterlagen, wie auch andere Waren, der amtlichen Beschau, das vom Rugamt durchgeführt wurde, und erhielten dort vermutlich einen Stempel in Form eines Nürnberger Wappens oder eines "N". Erhaltene Plattenteile, die Nürnberger Provinienz zugeordnet werden, weisen solche auf. Die konkrete Verwendung und Form über die Laufzeit der Existenz des Rugamtes ist jedoch nicht gesichert. Ausprägung und ErgänzungDer hier vorliegende Harnisch zeigt durch sein Fehlen eines Rüsthakens, das er von keinem Reiter getragen wurde. Weiterhin fehlen im Bild die zum Schutz der Oberschenkel bis 1485 oft charakteristischen Beintaschen, die aber bei Harnischen von Fusssoldaten oft weggelassen wurden. Weitere zugehörige Harnischteile in diesem Zeitrahmen
Vorläufer früherer Jahrhunderte
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(In unserem Besitz seit 06/2009 / Stand 19.04.2018) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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