(ca. 1470 - 90)
Zeichnet sich bereits Mitte des 14ten Jahrhunderts die Entwicklung ab, die zu einer Trennung der männlichen Bekleidung auf Höhe der Taille führt, tritt diese im 15ten Jahrhundert schliesslich die Vollendung an. Während ein Jahrhundert vorher noch der knie-bis oberschenkellange Kittel dominiert, der mehr oder weniger eng die männliche Beinbekleidung, die
Beinlinge
bedeckt, schrumpft dieser immer mehr.
Bleibt das zunächst vermutlich nur vom Adel getragene
Wams
als Teil der Unterkleidung in seiner Funktion als "Hosen-" bzw. "Beinlingsträgers" noch unsichtbar, mehren sich in der ersten Hälfte des 15ten Jahrunderts die Darstellungen, dass das mittlerweile auf Hüfthöhe verkürzte
Wams
offen getragen wird- wenn auch nur von am Rande der Gesellschaft stehenden Personenkreisen, sowie bei schwerer körperlicher Arbeit. In allen anderen Fällen bleibt es weiterhin von einem Kittel oder der modischen
Schecke
bedeckt, wie es auch verschiedene Kleiderordnungen süd-und oberdeutscher Städte des 15ten Jahrhunderts fordern, die sogar die Längen dieser regulieren- ein Hinweis darauf, dass der Oberschenkel des Mannes nach wie vor eher eine nicht offen zu zeigende Zone bleibt.
Hier regelt z.B. die Nürnberger Kleiderordnung des 15ten Jahrhunderts: "...das hinfüro eyn ydes mannsspilde,burger oder inwoner dieser statt,seinen latz an den hosen nyt bloss, unbedeckt, offenn oder sichtigelich tragen...".
Dennoch wird das Wams, das bis dato als Teil der Unterkleidung wohl oft nur aus
Leinen
bestand, immer öfters abgebildet, und wird aus den unterschiedlichsten Materialien gefertigt, nun vor allem auch mit
Wolle
als Oberstoff.
Die
Beinlinge
, die vermutlich bereits 1360 teilweise durch einen eingenähten fixen Mittelkeil zu einer Hose zusammenwachsen, und um 1400, durch nunmehr beim Adel nur noch hüftlange Oberbekleidung deutlich sichbar, bereits etabliert ist, treten als solche nun mehr in den Vordergrund.
Hose und
Wams
bilden so die grundlegende Bekleidung des mitteleuropäischen Mannes, mittels geflochtener, aus Leder oder anderen Materialien gefertigter Schnüre aneinandergebunden.
Als Folge dessen steigt der Verbrauch derartiger Nesteln, wie auch vermehrt erhaltene Anleitungen zur Herstellung aus diesem Zeitraum dokumentieren.
Die Verbindung der beiden bis dahin getrennten
Beinlinge
zu einer Hose erfolgt mittels eines fixen Keils, und zu einem nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkt um 1460-70 mit der sogenannten Schamkapsel, die sich bis in die Renaissance halten sollte, und dort übertrieben dekorierte und ausgestopfte Formen einnimmt.
Vor 1500 bildet sie mit der Hose und dem
Wams
eine Einheit, und wird mittels Schnüre nicht nur an die Hose, sondern auch das
Wams
gebunden, um im Bedarfsfalle dem tragenden Manne das Verrichten der Notwurft zu erleichtern.
Im Zuge des schwindenden burgundisch-französischen Einflusses auf die Mode in Deutschland, der besonders im 14ten mit der Verspätung einiger Jahre die Mode diktierte, entwickelt sich ein eigenständiger Modestil in verschiedenen Teilen Deutschlands, dessen Charakteristika in der aufkommenden Renaissance zu einer weiteren Verspieltheit besonders der Wamsmode, die durch Schlitze, die zunächst unter anderem durch Nesteln geschlossen werden, erweitert wird. Die regionale Verortung dieser Mode ist nur bedingt möglich, da diese in der Litertatur einstweiligen "süddeutsch" bezeichneten Mode in verschiedenen Teilen des damligen deutschen Reichsgebietes nachzuweisen ist. Fest steht nur, dass sie sich teils erheblich von einer flämischen, französischen, burgundischen, englischen und italienischen Mode abhebt. Diese in ihren regionalen Grenzen auch variantenreichen Modestile weisen zwar teils ähnliche oder gleiche Elemente auf, sind in ihrer Gesamtheit durch bestimmte Charakteristika, wie vor allem die Ärmelform, stark abweichend. Der Grund für diesen Variantenreichtum der Mode in Europa im späten Mittelalter ist für uns bislang nicht eindeutig zu erklären. Neben der Abweichung von grob national zu verortenden Modestilen weist dieser eher deutsche Stil auch innerhalb der Grenzen des heiligen römischen Reiches kleinere regionale Abweichungen auf.
Die hier gezeigte Kombination basiert auf einer ganzen Reihe von Funden, Darstellungen und Beschreibungen, vornehmlich aus dem süddeutschen Raum mt Schwerpunkt auf Franken, aber auch Vergleichsquellen und Funden aus London und Herjolfness, sowie Bildquellen vom Oberrhein, Hessen und anderen Landesteilen.
Sie stellt eine um 1470-80 und auch davor relativ typische Kombination eines Wamses mit Hose dar, wie sie im heute fränkischen Raum getragen wurde, und dort vielfach nachzuweisen ist
Legende der nebenstehenden Quellauszüge verschiedener Provenienz:
Detail der Karlsruher Passion, ca. 1480, Oberrheinregion
Bardejov, Slowakei, Pfarrkirche St. Ägidius, ca. 1490
Kupferstich, Martin Schongauer, ca. 1480
Altarbild, St. Stephan in Obermontani, Südtirol, ca. 1485
Altarbild, Trier, ca. 1460-70
Cod.icon. 394a "zweiter Gothaer Codex" des Hans Talhoffers, ca. 1470, Bayern
Cod. Thott. 290,2°, Fechtbuch des Hans Talhoffers, Bayern, 1459
Das
Wams
wurde aus naturfarbener (beige und weiss)
Wolle
in Köperbindung mit Leinenfutter in
Leinwandbindung
gefertigt, und mit Leinen-und Wollgarn vernäht. Die Nesteln bestehen aus weisser und mit Indigo gefärbter
Wolle
und sind mit einer Spitze aus Messing versehen, die angenietet wurde. Die Hose besteht aus Wallnussgefärbter, kreuzköperbindiger, gewalkter
Wolle
und wurde mit einem Teilfutter aus
Leinen
versehen. Die Schamkapsel fogt süddeutschen Quellen, und ist länglich, und wird an der Spitze auf der Hälfte der Strecke Taille-Hüfte mit einer
Nestel
befestigt, sowie seitlich mit den vorderen Nesteln, mit denen das
Wams
an die Hose befestigt ist.
Kappe (->
Filzkappe
) und Strümpfe (Wolle, gefärbt mit Birkenblättern und Eisensulfat) werden an anderer Stelle beschrieben.
Details der Kleidung:
Das
Wams
besitzt am Armausschnitt unter den Achseln angestelte Ärmel, die jedoch an der Schulter mit dem Torso verbunden bleiben
Die Schnürung des typischen V-Ausschnittes an der Vorderseite erfolgt mittels durch Buntmetallösen gezogener Nestelschnüre. Ösen dieser Art finden sich in zahlreichen Streufunden aus Deutschland und Frankreich
Die Ärmel sind ebenfalls mittels Nesteln und Ösen bis an das Schulterblatt geschnürt
Die Schamkapsel folgt süddeutscher Formensprache und ist länglich ausgebildet, besteht aus zwei Teilen, ist mit
Leinen
gefüttert, und endet nicht unterhalb des Wamses, sondern verläuft unterhalb diesem bis auf die Häfte der Höhe zwischen Taille und Becken. Dort ist sie mit einer
Nestel
befestigt.
Die Strümpfe, die als Schlechtwetterschutz über der Hose getragen werden, sind nicht Teil der normalen Mode
(In unserem Besitz seit 05/2007 / Stand 09.11.2010)
Nürnberger Kleiderordnung des 15ten Jahrhunderts
Auszüge aus der Nürnberger Kleiderordnung des 15ten Jahrhunderts
Thott 290 2°
Manuskript des Hans Talhoffers, Thott 290 2°, Königliche Bibliothek , Kopenhagen, datiert 1459
Cod.icon. 394a
Cod.icon. 394a,datiert auf ca. 1469, oder auch "zweiter Gothaer Codex" des fechtmeikster Hans Talhoffers, einer der berühmtesten Fechtmeister des späten Mittelalters. Talhoffer verfasste sechs illustrierte Manuskripte über die Kampfkunst und den gerichtskampf, und stand in der Tradition Johannes Liechtenauers. Seine Manuscripte sind neben unverzichtbarer Quelle für die Entwicklung der Liechtenauerschen Lehre auch eine hervoragende Studie an Kleidung süddeutscher Trachtentradition und italienischen Einflusses der Zeit, die sehr detaillreich in allen möglichen Bewegungssituationen und damit sehr realistisch dargestellt wird.
Gemälde des Martin Schongauer
Martin Schongauer, ca. 1440/50-1491, Maler und Kupferstecher war ein bedeutender Künstler des späten Mittelalters. In seinen Werken dokumentierte er unter anderem für den heutigen Kostümhistoriker relevante Elemente der Mode vor allem süddeutsch-italienischen Einflusses in unter anderem oberrheinischen Regionen
Wolfegger Hausbuch
Hausbuch des Fürsten von Waldburg-Wolfegg, ca. 1475-85, auch "Wolfegger Hausbuch". Eine der bedeutensten Quellen für spätmittelalterliche, süddeutsche Mode.
Hausbuchmeister, 15tes Jahrhundert
Darstellungen der oder des sogenannten "Hausbuchmeisters", benannt nach seiner/ihrer Arbeiten am Hausbuch von Schloss Wolfegg. Genauere Bezeichnung wären "Meister des Amsterdamer Kabinetts", da es sich um vermutlich mehrere Personen handelten, deren Grossteil an Arbeiten sich heute im Amsterdamer Rijksmuseum zu finden sind. Der oder die vor allem am Ober-und Mittelrhein täten Künstler waren mit ihrer Arbeit wegweisend für die spätmittelalterliche Kunst, und gehörten neben Schongauer zu den bedeutensten deutschen Kupferstecher und Zeichner. Wirkungszeitraum ca. 1470-1505. Details siehe
Wikipedia
.
Spätmittelalterliche Gemälde aus Nürnberg
Verschiedene Gemälde aus Nürnberg (Nürnberger Lorenzkirche, Germanisches Nationalmuseum), aus dem Zeitraum 1380-1500.
Schillingchronik
Berner Chronik oder Schlinngchronik, eine von Diebold Schilling dem Älteren verfasste Chronik der Burgunderkriege, ca. 1474-83.
Funde von Herjolfsnes
In dem Fundkomplex bei Herjolfsnes, Grönland, wurden zahlreiche Textilien des Zeitraumes 1300-ca.1420 gefunden, womit es eine der bedeutensten Fundquellen für spätmittelalterliche Textilien darstellt.
Nestelspitzen aus London
Nestelspitzen aus Ausgrabungen in London
Talhoffers Fechtbuch. Gerichtliche und andere Zweikämpfe darstellend
Hans Talhoffer , Gustav Hergsell, VS Books
Das schon berühmt- berüchtigte Buch bringt den zweiten Gothaer Codex von Hans Talhoffer in schwarz-weiss Bildern heraus, und gibt ihn mit einem mehr oder weniger fachkundigen Vorwort dem Leser als Mittel an die Hand, etwas über das spätmittewlalterliche Fechten zu lernen. Bedauerlicherweise ist dies allein mit diesem Werk unmöglich. Hans Talhoffer, in der zweiten Hälfte des 15ten Jahrhunderts wirkend, stand in der Tradition der Lehre Johannes Liechtenauers (zweite Hälfte 14tes Jahrhundert), und ohne dessen Lehre zu kennen, ist die Interpretation der oftmals mitten in der Bewegung eingefrorenen Figuren unmöglich. Dennoch bietet das Buch eine schöne, wenn auch farblose, Darstellung spätmittelalterliche süddeutscher Mode und Rüstung.
3932077032 (German)
Mittelalterliche Kampfesweisen 1. Das Lange Schwert. Talhoffers Fechtbuch Anno Domini 1467
Andre Schulze , Sandra Fortner, Zabern
Unter den wenigen Büchern, die in deutscher Sprache über das historische europäische Fechten erschienen sind, nimmt dieses leider eine traurige Vorrangstellung ein: es ist wohl der mislungenste Versuch. Schon in der Einleitung wird klar, dass der Autor Andre Schulze wenig bis garkeine Kenntnisse der Liechtenauerischen Lehren besass, auf der Meister Talhoffer aufbaute, und dies wird ihm im Buch zum Verhängnis; merkwürdige herbeiinterpretierte Zusammenhänge mit indischen Tempeltänzen, um ein Beispiel zu nennen, lassen den Leser nichts Gutes ahnen. Die Interpretation der als einzigen Lichtblick in diesem Buch in guter Qualität farbig gedruckten Tafeln von Hans Talhoffers zweiten Gothaer Codex, die oft mitten in der Bewegung ein gefrorene Kämpfer zeigt, ist selbst mit profunder Vorkenntnis nur schwierig möglich. Dennoch scheut sich der Autor nicht, statt dieser seine Erfahrung aus asiatischen Kampfsportarten heranzuziehen, um dann teils grob unlogische Interpretationen auf Farbfotos in völlig unhistorischer Kostümierung vor unruhigen Hintergrund darzustellen. Ingesamt ist es für das Verständnis der europäischen Schwertkampftechniken des späten Mittelalters völlig untauglich.
3805336527 (German)
Martin Schongauer und sein Kreis. Mit dem Katalog der Handzeichnungen und Druckgraphik
Marianne Bernhard, üdwest, München, 198
Katalog der Drucke und Werke Martin Schongauers ( http://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Schongauer ). Sehr gutes Werk für alle Darsteller deutscher Provinienz des späten 15ten Jahrhunderts
-517-00728-5 (German)
Venus und Mars: Das Mittelalterliche Hausbuch aus der Sammlung der Fürsten zu Waldburg Wolfegg
Graf zu Waldburg Wolfegg, Prestel Verlag
Das mittelalterliche Hausbuch stellt mit seinen 63 illustrierten Pergamentblättern mit bürgerlichen und adligen Leben, sowie Illustrationen technischer Geräte, eines der bedeutensten Bildwerke spätmittelalterlicher deutscher Bildkunst dar, und ist eines der besten Quellen für spätmittelalterliche, süddeutsche Mode, insbesondere im Raum Augsburg bis Nürnberg.
379131839 (German)
Vom Leben im späten Mittelalter. Der Hausbuchmeister oder Meister des Amsterdamer Kabinetts
J. P. Filedt Kok, Rijksmuseum Amsterdam
Ausstellungskatalog des Rijksmuseum Amsterdam zur gleichnamigen Ausstellung 1985. Universelles Werk zur Mode im späten 15ten Jahrhundert, insbesondere in Deutschland, sowie dem genannten Meistern des Amsterdamer Kabinetts und anhängiger Kupferstecher und Maler. Absolutes Muss für Darsteller des späten 15ten Jahrhunderts in Deutschland.
66137-92594 (German)
Die Welt der Schweizer Bildchroniken
Carl Pfaff, Edition91
Hervorragendes Buch über die Schweizer Bildchroniken aus den Jahren 1470 bis 1515, mit Übersicht spätmittelalterlichen Lebens in der Schweiz und guten Quellen zu süddeutscher Mode.
3905515017 (German)
Woven into the Earth: Textiles from Norse Greenland
Else Ostergard, Aarhus Universitetsforlag
Die Neuanalyse der Textilfunde im grönländischen Herjolfnes birgt an sich wenig spektakuläre Neuerungen gegenüber den ursprünglichen von Nordlund, durch die sehr plastischen Fotos der Originalstücke, der beigefügten Schnitte mit Maßen, den Kapitel über Textilverarbeitung in Grönland aber gewinnt das Buch einen ausserordentlichen Reiz für jeden Darsteller mit Interesse an Textilfunden.
8772889357 (German)
Dress Accessories, c.1150-c.1450
Geoff Egan, Frances Pritchard, Boydell Press
Aus der Reihe "Medieval Finds from Excavations in London" bietet dieses Buch einen faszinierenden Überblick über die Funde mittelalterlicher Gürtel, Schnallen, Nadeln und anderer Accessoirs aus dem Hafen von London.
0851158390 (German)
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