Rüstung und Waffen - Scheibendolch

Scheibendolch mit Horngriff, punzierter Scheide, Messing-und Silberbeschlägen und Beimesser
Dolch, Beimesser, Scheide im DetailPunzierung
(ca. Mitte 14.Jhd bis Ende 15.Jhd)

Neben dem Nierendolch ist der Scheibendolch einer der beliebtesten Dolchformen des späten Mittelalters, und begegnet uns erstmalig in der Fundlage um die Mitte des 14ten Jahrhunderts in Europa. Anders als beim Nierendolch, bei denen uns nur die zwei- und einschneidige Variante (Dolchmesser) bekannt sind, existiert hier eine weitere, der Panzerstecher mit viereckigem Klingenprofil, der auch den Namen "Gnadegott" oder "misericorde" (italienisch: "miseri cordia", "Mitleid") besitzt.
Bis in das 15te Jahrhundert, und darüber hinaus, kann diese Dolchform sich gegenüber dem Nieren- oder Hodendolch durchsetzen, und wird, wie dieser auch, oft als Repräsenation adligen, bald auch bügerlichen Wehrbewusstseins zur zivilen Kleidung getragen.

Wie auch bei Schwertern (-> Langes Schwert ) ist im Spätmittelalter auch bei Dolchen und Seitenwehren zunehmend die Tendenz erkennbar, dass diese im Set mit Beimessern (in Nürnberg "Köttlein" genannt) und Pfriemen (vergl.: Langes Schwert , Ahlen oder Pfrieme )getragen werden. Der genaue Ursprung und die Nutzung ist nicht genau erfassbar, womöglich hatte dies den Ursprung im Jagdbesteck.

In zeitgenössischen Quellen ab dem 14ten Jahrhundert begegnet uns der Dolch im späten Mittelalter zunehmend unter dem Namen "Degen" (aus dem lateinischen "daga". davon abgeleitet auch englisch für Dolch: "dagger"), es ist hierbei allerdings unklar, ob dieser generell alle Dolchformen, nur spezielle, oder solche mit bestimmter Länge oder Klinge bezeichnet. Möglich ist, dass es primär für den Stich ausgelegte Dolchformen, wie eben gerade den Scheibendolch bezeichnete.

Im späten Mittelalter existieren mehrere Text-und Bildquellen zur Benutzung des Scheibendolches bzw. Degens im Kampf, sowohl im Harnisch, als auch im sogenannten "Bloßfechten" (ohne Harnisch). Hierbei wird der Dolch primär zum Stich eingesetzt, und oft in einer für die Rechtssituation des späten Mittelalters wichtigen Weise sichtbar in Angriffsposition eingesetzt: eine für den Gegner und alle Umgebenden sichtbar gezogene Waffe verlieh dem Angriff eine quasi Herausforderungssituation eines Duells, bei tödlichen Ausgang war der Gewinner so ggf. gegen den Vorwurf eines arglistigen Mordanschlags geschützt. Im Harnischkampf war gerade der Scheibendolch eine wichtige Waffe für finale Stiche, wenn der Gegner niedergerungen oder in eine fixierte Position gebracht werden konnte, oder schlicht als Zeichen der Überlegenheit und die Aufforderung, sich zu ergeben, was gerade im Kampf zwischen ritterlichen Angehörigen des ritterlichen Standes ob Lösegeldforderungen wesentlich war.

Weitere Dolchformen des späten Mittelalters:

  • Nierendolch
  • Basilard
  • Ohrendolch
  • Cinquedea (Ochsenzunge)
 

Vorlage

Dieser Scheibendolch wurde auf Basis einer Reihe von Vorlagen, primär jedoch basierend auf einem Dolch aus der Sammlung des Museums für Deutsche Geschichte in Berlin, datiert auf das 14te Jahrhundert (ungesichert: 1360), angefertigt. Beimesser und Scheide basieren auf eine Reihe europäischer Funde aus London, Nürnberg, Paris etc.
In bildlichen Darstellungen begegnen uns Scheibendolche erst ab kurz nach der Mitte des 14ten Jahrhunderts, zunehmend gerade auf ritterlichen Grabplatten in Frankreich und England der 1360ger Jahre. In Deutschland dagegen bleibt lange der Nierendolch und Baselard vorherrschend.  

Wie das Original besitzt er einen Horngriff, der mit Beschlägen verziert ist. Die beiden Scheiben des Griffes sind zusätzlich mit Ziernieten und unserem Zeichen, einer Blume, verziert. Auf die Scheide- die mit einer nicht die unteren Griffplatten unschließenden Ausführung, entgegen späteren Originalen, eine frühe Variante darstellt- ist unser Moto bzw. die Devise "Amor vincit omnia" ("Liebe besiegt alles") punziert. Das Ortblech birgt symbolische Andeutungen der französischen Lilie und ist mit Silber beschlagen Die Nestelspitzen und die Spitze des Ortbleches , ebenfalls aus Silber, sind jeweils mit einem foralen Muster verziert.
Das Beimesser besitzt ebenfalls einen Horngriff und ist mit Beschlägen aus Messing verziert.

Wir danken Przemyslaw Karcz für diese hervorragende Arbeit.
(1) Scheibendolch, Berlin, 14.Jhd (2) Scheibendolch, 14.Jhd (3) Beimesserklinge, 14.Jhd
(In unserem Besitz seit 03/2007 / Stand 04.08.2016)
 

Quellangaben

Grabplatte des Sir John StanleyGrabplatte des Sir John Stanley (gestorben 1374) in Elford, Staffs, England. Frühe Darstellung eines Scheibendolches an einer ritterlichen Grabplastik.
Grabplatte von Jean d'AillyGrabplatte von Jean d'Ailly (gestorben 1374) in Jard Abbey, Vert-Saint-Denis, Seine-et-Marne, Frankreich. Frühe Darstellung eines Scheibendolches an einer ritterlichen Grabplastik.
Grabplatte von Thibaut de PuiseuxGrabplatte von Thibaut de Puiseux (gestorben 1374) in Hérivaux Abbey, Luzarches, Val-d'Oise, Frankreich. Frühe Darstellung eines Scheibendolches an einer ritterlichen Grabplastik.
Spätmittelalterliche Gemälde aus NürnbergVerschiedene Gemälde aus Nürnberg (Nürnberger Lorenzkirche, Germanisches Nationalmuseum), aus dem Zeitraum 1380-1500.
Fechtbuch von Peter von Danzig, um 1452Cod. 44 A 8/ Cod. 1449 aus der Biblioteca dell’Accademia Nazionale dei Lincei e Corsiniana, Rom, Italien, um 1452. Auch "Fechtbuch von Peter von Danzig" (nach dem letzten Autoren des verschiedene Fechtmeister sammellnden Werkes genannt). Umfasst Dolchtechniken Martin Hundfeldt und Andreas Liegnitzer.
Nierendolch, WallacecollectionNierendolch 14./15.Jhd, Wallacecollection A732
Manuscript der Morganlibrary MS G. 24MS G. 24 der Morganlibrary, Frankreich, 1350-60.
Roman de la RoseHandschrift des französischen Roman de la Rose (ab 13.Jhd, Hier: Folianten um 1350-60). Der Roman de la Rose ist ein Versroman mit zentralem Minnethema und eines der wichtigsten Werke der französischen Literatur des Mittelalters. Er ist in zahlreichen Manuscripten von 1250 bis 1500 erhalten, und wurde auch später noch gedruckt. Damit hatte er einen massiven Einfluss auf die französische Literatur. Die zahlreichen Miniaturen der einzelnen Manuskripte machen diese zu einer hevorragenden ikonographischen Quelle des französischen Mittelalters. Mehr unter Wikipedia
Beimesser, 14.JhdBeimesser, 14.Jhd. Aus privaten Bestand.
Scheibendolch, 14./15. Jhd.Scheibendolch, 14./15. Jhd., Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg
Scheibendolch, 14,Jhd. Berlin Scheibendolch, 14,Jhd. BerlinScheibendolch, Waffensammlung des Museums für Deutsche Geschichte, Berlin, datiert auf das 14te Jahrhundert
AlexanderromanDer Alexanderroman, vermutlich ca. 1338-44 in Flandern (aus der Hand des flämischen Illustrators Jehan de Grise und seiner Werkstatt) entstanden, enthält Verse in französischem (picardischen) Dialekt und (ab 1400) Englisch über "Romance of the Good King Alexande" (über Alexander den Grossen), sowie illustrierte Berichte über die Reisen Marco Polos. Es stellt eine hervorragende Quelle für französische Mode um die Mitte- genauer der ersten Hälfte der 40ger Jahre- des 14ten Jahrhunderts dar.
LondonfundeTextil-, Metall-, Buntmetall-, Holz-, Leder und Schuhfunde aus dem Hafenbecken von London
Messerfunde in SchleswigIm Rahmen der Eisenfunde in Schlewig wurden eine Reihe der verschiedensten Ess-und Gebrauchsmesser publiziert und dokumentiert
Scheibendolch, Nürnberg, sp. 15. JhdScheibendolch im Bestand des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, um 1500, verzierter Griff.
Grabplatte von Johann von Brandscheit, 1370Grabplatte von Johann von Brandscheit, um 1370, Kyllburg. Möglicherweise (Grabplatte beschädigt) frühe dt. Darstellung eines Scheibendolches an Grabplastik.
Grabplatte von Thomas BerkeleyGrabplatte von Thomas Berkeley, gestorben 1362, Berkeley, England. Sehr frühe Darstellung eines Scheibendolches.
Grabplatte von Robert AlbynGrabplatte von Robert Albyn, gestorben 1360 in Hemel Hempstead, England. Sehr frühe Darstellung eines Scheibendolches.
 

Empfohlene Literatur


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. Peter von Danzig: Transkription und Übersetzung der Handschrift 44 A 8 .
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Peter von Danzig: Transkription und Übersetzung der Handschrift 44 A 8
Peter Danzig/ Dierk Hagedorn , VS-BOOKS Torsten Verhülsdonk
Ausgezeichnetes Buch, dass den Originalen Text Peter von Danzigs neben eine moderne, kommentierte Übersetzung stellt. Sowohl für Interessenten des historischen Fechtens als auch rein Militärhistorisch interessant.
3932077342  (German).
 

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. Europäische Hieb- und Stichwaffen .
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Europäische Hieb- und Stichwaffen
Heinrich Müller und Hartmund Kölling, Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik
Hieb- und Stichwaffen aus der Sammlung des Museums für Deutsche Geschichte. Das Standardwerk auf diesem Sektor, mit hunderten von Farbabbildungen und Detailbeschreibungen.
332700041- (German)
 

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. Dress Accessories, c.1150-c.1450 .
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Dress Accessories, c.1150-c.1450
Geoff Egan, Frances Pritchard, Boydell Press
Aus der Reihe "Medieval Finds from Excavations in London" bietet dieses Buch einen faszinierenden Überblick über die Funde mittelalterlicher Gürtel, Schnallen, Nadeln und anderer Accessoirs aus dem Hafen von London.
0851158390 (German).
 

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. Textiles and Clothing , C.1150-C.1450 .
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Textiles and Clothing , C.1150-C.1450
Elisabeth Crowfoot, The Boydell Press
Das Buch zu den Textilfunden aus dem Hafenbecken von London aus der Reihe der Londonfunde bietet neben der Analyse der Textilien interessante Details zur Textilindustrie speziell des 14ten Jahrhunderts in England, und stellt auf Grund der detaillierten Auswertungen der Verarbeitungstechniken, Materialien und Färbungen eine Pflichtlektüre für hoch-und spätmittelalterliche Textilrekonstruktion dar.
1843832399 (German).
 

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. Mittelalterliche Eisenfunde aus Schleswig .
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Mittelalterliche Eisenfunde aus Schleswig
Saggau, Hilke Elisabeth, Wachholtz Verlag
Diese Beschreibung der Eisenfunde aus dem mittelalterlichen Schleswig bietet für den an Replikation und Handwerk interessierten Darsteller gut kompremierte Informationen über die Befundlage, und glänzt mit zahlreichen S/W Bildern der Funde, die einen Nachbau in vielen Fällen einfach werden lässt. Werkzeuge, Waffen, Beschläge und viele Alltagsgegenstände bieten interessante Einblicke in die Verwendunf des Metalls für eine Vielzahl von Zwecken.
3529014648 (German).
 

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