(ca. 14. - 15.Jhd)
Als einer der Elemente des eher spärlichen mittelalterlichen Möbiliars neben
Tisch
en (->
Tisch
), Bänken (->
Bank
),
Hocker
n (->
Hocker
) und Stühlen stellt die Truhe ein bedeutendes Möbelstück dar. Als Mittel zur Aufbewahrung für Kleidung, Hausrat und Wertgegenständen in einer Zeit, in der Schränke noch selten bis garnicht vertreten waren, lässt sie sich in nahezu jedem bürgerlichen wie adeligen Haushalt in einfacher, aber auch aufwändigerer Form vermuten.
Zahlreiche erhaltene Exemplare aus Deutschland, England, Frankreich und dem Rest von Europa lassen uns ein sehr genaues Bild von ihrer Konstrukion gewinnen.
Hierbei dominieren eher grosse Exemplare, die sprichwörtlich unverrückbar im Haus standen. Jedoch auch kleinere, transportierbare Truhen ähnlicher Konstruktion lassen sich insbesondere in Bildquellen, die z.B. Brände, Plünderungen, Kriegszüge oder Turniere zeigen, erkennen.
Regionale Unterschiede bilden sich besonders im späten Mittelalter heraus, und sind darüber hinaus vor allem an der Verzierung festmachbar.
Davon unabhängig ist die Konstruktionsweise als sogenannte Stollentruhe den meisten gemeinsam.
Neben Schnitzereien bilden ausserdem Eisenbeschläge und Bemalungen Möglichkeiten der Verzierung.
Die vorliegende Truhe basiert auf einem Original in der Laneham Church in der Grafschaft Nottinghamshire in Mittelengland. Diese wegen ihrer Merkmale auf das 14. Jahrhundert geschätzte Truhe weisst wesentliche Gemeinsamkeiten mit verschiedenen Truhen in Europa, insbesondere den Truhen aus den Lüneburger Heideklöstern, die sehr ausführlich dokumentiert sind, auf.
Der Deckel der Truhe wurde später gegen ein Modell mit Bandscharnieren ausgewechselt, wobei der ursprüngliche Deckel sicher verzapfte Scharniere besass.
Dies ist besonders gut ersichtlich durch die Tatsache, dass die Lade im Inneren sich durch den späteren Deckel nicht mehr öffnen liess.
Ein weiteres Merkmal der Truhe sind die frontalen floralen oder palmenartigen Schnitzereien, die sich in ähnlicher Art auch auf z.B. englischen und französischen Truhen des 13ten Jahrhunderts und des Spätmittelalters wiederfinden.
Diese Rekonstrukionsversuche sind gegenüber dem Original maßstrabsgetreu verkleinert- das Original ist, wie nahezu alle erhaltenen Truhen, wohl eher für den stationären Einsatz gedacht, wobei das Merkmal der Trageringe darauf hindeuten, dass sie eventuell doch bewegt wurde.
Die Truhe ist in charakteristischer Stollenbauweise gefertigt, eine sehr frühe Möbelbauart.
Die Seitenwände sind eingenutet und verzapft. Typisch hierbei ist das nach unten dicker werdende Profil der Seitenwände.
Der Deckel ist mit einem Eisenzapfenscharnier einsetzt, eine Weiterentwicklung des frühen Holzzapfenscharniers.
Die am Truhenboden verstärkende Querleisten umlaufend, und sich überkreuzende Eisenbänder erlauben einen sicheren Transport mittels der seitlichen Trageringe, wie sie auch bei Originalen zu finden sind. Hierfür kann eine stabile Holzstange hindurchgesteckt werden. Truhen für den Transport sieht man desöfteren in Darstellungen mittelalterlicher Lagersituationen, wie im Kriegsfalle, oder bei Turnieren, so zum Beispiel im flämischen Alexanderroman Mitte des 14ten Jahrhunderts.
Auch auf spätmittelalterlichen Darstellungen des Hausrates, wie z.B. bei den Darstellung von aus der brennenden Stadt fliehenden, und sich und ihren Hausrat rettenden Bürgern, sind kleinere und flachere Truhen vertreten. Sogar ein dem der englischen Truhe ähnliches Schnitzwerk findet sich an einer
Frontstollentruhe
aus Zermatt.
An dieser Stelle nochmals einen herzlichen Dank an Kim Wich-Glasen, der mit diesen Truhen nicht nur in Rekordzeit eine hervorragende Arbeit geleistet hat, sondern uns, wie auch schon in der Vergangenheit, kompetent beratend zur Seite stand. Wir können jedem seine Arbeit und seinen Laden unter
Mittelalter-moebel.de
nur wärmstens ans Herz legen.
(In unserem Besitz seit 12/2006 / Stand 18.05.2010)
Truhe aus der Laneham Church, Nottinghamshire
Frontstollen aus der Laneham Church, Nottinghamshire, England. Grosse, schwere, mit Eisenbeschlägen versehene Stollentruhe, vermutlich datiert auf das 14te Jahrhundert. Nachträglich geänderter Deckel, durch den sich die Lade im Inneren nicht mehr öffnen lässt. Frontales, florales/ palmenartiges "Palmetto" Schnitzwerk. Seitlich angebrachte, geschmiedete Trageringe.
Truhen aus dem Lüneburger Heideklöstern
Verschiedene Truhen aus den Klostern der Lüneburger Heide, u.a. Wienhausen. Stollen- und Standseitentruhen verschiedener Jahrhunderte.
Schillingchronik
Berner Chronik oder Schlinngchronik, eine von Diebold Schilling dem Älteren verfasste Chronik der Burgunderkriege, ca. 1474-83.
Alexanderroman
Der Alexanderroman, vermutlich ca. 1338-44 in Flandern (aus der Hand des flämischen Illustrators Jehan de Grise und seiner Werkstatt) entstanden, enthält Verse in französischem (picardischen) Dialekt und (ab 1400) Englisch über "Romance of the Good King Alexande" (über Alexander den Grossen), sowie illustrierte Berichte über die Reisen Marco Polos. Es stellt eine hervorragende Quelle für französische Mode um die Mitte- genauer der ersten Hälfte der 40ger Jahre- des 14ten Jahrhunderts dar.
Französische Truhe, 13.Jhd
Französische Truhe, 13.Jhd, Schnitzereiverzeiehung und Eisenbeschläge. Inventar des Parisewr Kunstgewerbemuseums
Truhe aus der Burrel Sammlung
Truhe aus der Burrel Sammlung, Museum der Stadt Glasgow, 14tes Jahrhundert, vermutlich für Rüstungen, mit seitlichen Trageringen
Die gotischen Truhen der Lüneburger Heideklöster: Entwicklung - Konstruktion - Gestaltung
Karl H von Stülpnagel, Stiftung Museumsdorf Cloppenburg
Absolut essentielles Buch für jeden, der Interesse an mittelalterlichem Holzhandwerk und Möbelbau besitzt. Die sehr detaillierten Konstruktionszeichnungen einer Fülle von Truhen vermitteln ein anschauliches Bild von der hohen handwerklichen Kunst der mittelalterlichen Möbelbauer.
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Die Welt der Schweizer Bildchroniken
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Hervorragendes Buch über die Schweizer Bildchroniken aus den Jahren 1470 bis 1515, mit Übersicht spätmittelalterlichen Lebens in der Schweiz und guten Quellen zu süddeutscher Mode.
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