Küche und Haushalt - Große Kanne

Große, oxidierend gebrannte Kanne aus dem KreuzgassenviertelDetail des engmundigen Halses
Detail des randständigen Bandhenkels
(15tes Jahrhundert)

Geschirr- heute und damals

Betrachten wir als moderne Menschen mittelalterliche Haushaltsführung, sind wir, wie in anderen Bereichen, sehr von Klischees geprägt, und neigen dazu, diese als archaiisch abzuurteilen. Kochen auf offenem Feuer in verrußter Küche mittels eiserner Kessel? Wie schön sind da doch unsere modernen Einbauherde! Und Ausschank in großen Keramikkrügen? Unwillkührlich stellt sich das Klischeebild daus dem Hollywoodfilm der zechenden Tavernengesellschaft ein, in dessen Reihen es derb zugeht. Gut, dass wir heute feine Glas-und Porzellangefäße haben!
Tatsächlich aber dürften aber über derartige Ansichten unsere Eltern und Großeltern teils den Kopf schütteln: sie wissen, wie wenig unsere Liebe zu vorgestellt keimfreier Welt und der abfällige Blick über die Schulter auf die vermeintlich primitive Vergangenheit mit dem Leben von früher zu tun hat.
Bei näherem Blick erschliesst sich dem Betrachter ein anderes Bild: im mittelalterlichen Haushalts- und Wirtschaftsleben existierte eine Fülle von Gegenständen mit exakt der Verwendung angepassten Eigenschaften, die in großem Ausmaß produziert wurden, so auch die Keramik. Große Herstellungszentren im Rheinland profuzierten teurere, für den Export gedachte Keramiken, die ob ihrer Beliebtheit als repräsentative Ausführung alltäglichen Geschirrs, quasi dem "Rosental" des Mittelalters, gerne in lokalen Werkstätten kopiert wurden- mit wechselndem Erfolg. Vornehmlich produzierten diese aber Gebrauchskeramik für den regionalen Markt, mit einer Breiten Palette an Formen und Ausführungen, angepasst ab den jeweils zeittypischen Geschmack. Ob mit Innen-oder Außenglasur, fein-oder grobporig, oxidierend, reduziert gebrannt- je nachdem, ob es sich um Aufbewahrungsgefäß, Kochtopf, Schankkanne, Farbtöpfchen, Feldflasche oder Nachttopf handelte, variierten die Merkmale der Keramik.

Keramik des späten 15ten Jahrhunderts aus Süddeutschland und Nürnberg

Die Datierung süddeutscher Keramik ist auf Grund vieler langlaufender Formen von Gebrauchskeramik teils nicht immer eindeutig. Charaksteristisch ist der ab dem 15ten Jahrhundert verstärkt auftretende oxidierende Brand. Diese bewirkt je nach Zusammensetzung des Tones und Brenntemperatur und -Dauer eine Oxidation des eisenhaltigen Ausgangsmaterialies und eine charakteristische Rotfärbung, die von leichtem rötlichen Schimmer bis zu einem satten Rotton reichen kann, und sich auch beim Ascheanflug in den typischen wechselseitigen Verfärbungen äussert. Bei Töpfen und Deckelgefäßen weisen auch die Randformungen leichte Änderungen auf: stärker ausgeschwungene Ränder sowie universelle Deckelauflagen nehmen die dünnwandig gedrehten Allzweckdeckel auf, die bereits im späten 14ten zu beobachten sind. Die zunächst primär innen eingesetzte grüne Glasur und generell vielfältig gestaltete Salzglasuren wird nun auf vielen Gefäßformen verwendet, zu denen sich nun auch zunehmend Blumenvasen gesellen, die in bildlichen Darstellungen Ausdruck zunehmender Wohnlichkeitsgestaltung bürgerlicher Haushalte sind.
 

Vorlage

Diese Kanne ist eine Replik eines Fundes aus der Latrine des Anwesens Irrerstraße 19, ehemals das Gastgaus "zum Rudolf" in Nürnberg. Sie weisst einen engmündigen Hals, mehrfach profilierten geraden Rand, sowie einen randständigen Bandhenkel auf, wie ihn verschiedene Vergleichsfunde ab der ersten Hälfte des 15ten Jahrhunderts ebenfalls besitzen. Eine genauere Eingrenzung innerhalb des Jahrhunderts ist auf Grund wechselnder, vermutlich regional spezifischer Merkmale der in den gleichen Zeitrahmen datierenden vergleichbaren Funde engmündiger Kannen aus der Umgebung ( Pollenfeld, Ansbach, Höfstetten, Hundspoint, sowie der Nonnengasse 6 in Nürnberg, letztere leztes Viertel 15tes Jahrhundert ) nicht möglich, es handelt sich hierbei vermutlich um einen langlebigeren Typ, der bis ins 16te Jahrhundert Verwendung fand, wie es zeitgenössische Darstellungen, sowie ein Fund aus Moosburg nahelegen, und schliesslich durch einen Nachfolgetypus mit Innenglasur und Standring abgelösst wurde.

Sie weisst die typische Färbung spätmittelalterlicher Keramiken aus eisenhaltigen Ton eines Holzbrandes auf: der Grundton der Keramik reicht von Elfenbeinfarben bis leicht rötlich, an den Stellen, die von Ascheanflug betroffen sind, hat sich der Ton durch verstärkte Oxidation rot verfärbt. Unterschiedliche Färbungen am gebrannten Endstück lassen sich auch auf zahlreichen Originalen und sogar in bildlichen Darstellungen finden.

Auffällig sind bei dieser Kanne auch die Dimensionen: Sie ist weit über 30cm hoch.
Sie weist gegenüber den früher datierten Fundgruppen aus Nürnberg, wie z.B. der vom Weinmarkt 11, eine bereits fortgeschrittenere Randprofilierung auf, die die baugeschichtlich ermittelte Datierung in die zweite Hälfte des 15ten Jahrhunderts stützt.

Eine Arbeit von Anna Axtmann.
Fund aus der Kreuzgasse in Nürnberg
(In unserem Besitz seit 02/2008 / Stand 22.11.2011)
 

Quellangaben

Funde der Töpferei PollenfeldFunde der Töpferei Pollenfeld, Altmühltal, 15tes Jahrhundert
Keramikfunde, AnsbachKeramikfunde, Ansbach, Mittelfranken
Keramikfunde, HöfstettenKeramikfunde, Höfstetten, Mittelfranken, drittes Viertel 15tes Jahrhundert
Keramikfunde aus HundspointKeramikfunde aus Hundspoint, Gemeinde Kröning, Nürnberg, Mittelfranken, 15tes Jahrhundert
Keramikfunde aus der Töpferei MoosburgKeramikfunde aus der Töpferei Moosburg, Landkreis Freising, 16tes Jahrhundert
Keramikfunde aus WürzburgKeramikfunde aus Würzburg, Unterfranken
Funde aus der Nonnengasse 6, NürnbergFunde aus der Nonnengasse 6, Nürnberg, Mittelfranken
Funde aus dem Kreuzgassenviertel in NürnbergFunde aus den als Latrinen umgebauten Schächten aus dem Kreuzgassenviertel, genauer aus der Teilausgrabung Untere bis mittlere Kreuzgasse. Auf Grund von Baudaten und dendrochonologischer Datierung ist das Anlegedatum mit 1458 anzugeben, der Fundkomplex ist mehrheitlich in das späte 15te Jahrhundert und später anzzusiedeln (Baudaten, Chronologiedatierung, Keramikformenvergleich mit Parallelfunden aus Nürnberg)

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