Lager und Einrichtung - Spätgotischer Faltstuhl

Faltstuhl nach Nürnberger Original des späten 15ten JahrhundertsIm zusammengeklappten Zustand
Detail der Verzierung entsprechend dem Nürnberger Original
(15tes / 16tes Jahrhundert)

Was wissen wir vom mittelalterlichen Haushalt? Die Klischees, die auch in Hollywood und Medien verbreitet werden, reichen vom flohverseuchten Schuppen mit strohbedecktem Boden, über zugige Burgen, die eher Tropfsteinhöhlen als Wohnstätten gleichen, über überbordend prunkige Adelsgemächer. Auch hier erfolgt kaum eine Differenzierung, und so ist vom frühmittelalterlichen Langhaus, über wiederrum schon zunehmend als luxeriös empfundene Wohnkultur der Renaissance alles vertreten. Doch wie sah die Realität aus?
Sicher ist, dies lässt sich nicht für 1000 Jahre des Mittelalters und alle Schichten beantworten. Betrachten wir die städtische Wohnkultur des Bürgertums des späten Mittelalters, lässt sich zumindestens hierfür ein näher Eingrenzbares Bild zeichnen: Inventare, ettliche erhaltene Möbel, sowie zahlreiche Darstellungen präsentieren ein durchaus sehr wohnliches Bild wohlhabender Haushalte, das trotz Regalen an den holzgetäfelten Wänden, und einigen Schränken, neben den Nutzmöbeln wie Bett, Tisch, Bank, Hocker und Frontstollentruhe, die jeweils durchaus aufwändige Verzierungen aufweisen können, für unsere Augen erstaunlich karg möbeliert erscheint. Wo sind die Kommoden, die Anrichten, Regale, Kleiderschränke? Bei näherer Betrachtung beantworten diese Fragen sich relativ leicht selber; die Kleidung, so denn nicht bereits ein Schrank vorhanden, liegt eher zusammengefaltet in der Truhe, der spätmittelalterliche Bürger liebt das Buch, besitzt aber selten genug davon, um Regale zu füllen.


Jede Menge Ziergegenstände, wie wir sie heute kennen, scheinen zu fehlen. Und die Sitzgelegenheiten? An den Wänden integrierte, umlaufende Bänke, erstaunlich modern anmutende Bänke mit drehbarer Lehne und Hocker sind uns nicht fremd, doch wo sind die Stühle?
Tatsächlich finden sich Stühle zumindestens eher selten in erhaltenen Inventaren, und trotz der im 15ten Jahrhundert in Darstellungen häufiger anzutreffenden Gelehrten, Malers oder Herrschers im Stuhl sind diese nicht Teil der allgemeinen Wohnkultur, wie heute.
Die Gründe liegen vermutlich in der etwas anderen Nutzung von Sitzgelegenheiten, die entweder (umlaufende Bank) im Haushalt integriert, oder eher einzeln benutzt wurden (Hocker). Schwere Sessel mit Throncharakter begegnen uns selbstverständlich in herrschaftlicher Wohnkultur, und bei sehr wohlhabenden Personen; diese besitzen zudem den Vorteil, den Rücken gegen Zugluft zu schützen.
Dennoch sind uns zahlreiche originale Stühle aus dem 15ten Jahrhundert erhalten, darunter der Typus des Faltstuhls, nicht nur in der Sonderform mit hohem Wiedererkennungswert, dem Schwerenstuhl, sondern auch in der zweiten Jahrhunderthälfte bis über die Renaissance sehr beliebte Faltstuhl in S-Form mit rückwärtiger Lehne.

*(Wir weisen an dieser Stelle darauf hin, das es für die auf Themenfesten, im allgemeinen "Mittelaltermärkte" genannt, oft benutzten so genannten "Steckstühle" aus zwei Brettern keine historische Vorlage im mittelalterlichen Europa gibt. Es handelt sich hierbei um einen traditionellen afrikanischen Gebährstuhl).

 

Vorlage

Bei diesem Faltstuhl handelt es sich um einen möglichst originalgetreuen Nachbau eines Exemplares aus dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, datiert auf das 15te Jahrhundert. Wie bei der Vorlage wurde Buchenholz verwendet. Faserverlauf, Maße, Verzierung und Konstruktion, z.B. die Verzapfung, entsprechen der Vorlage (siehe Vergleichsbild rechts).

Sehr ähnliche Stühle sind in verschiedenen Museen der Welt erhalten geblieben.

Wir danken Kim Wich-Glasen für seine hervorragende Arbeit.

Vergleich Original und Nachbau
(In unserem Besitz seit 12/2009 / Stand 31.12.2009)
 

Quellangaben

Faltstuhl aus NürnbergFaltstuhl aus den Beständen des Germanischen Nationalmuseums. Buchenholz, 15tes Jahrhundert
Faltstuhl, Norditalien/SchweizFaltstuhl, Norditalien oder Schweiz, 15tes Jahrhundert, Buche. Französisches Museum (unbekannt) MAD 7031
Faltstühle in der Villa BarbaroFaltstühle in der Villa Barbaro (Villa di Maser),Italien, um 1560
Faltstühle im Palazzo DavanzatiFaltstühle im Palazzo Davanzati, Florenz, Italien, um 1530
Faltstuhl im Casa Bagatti ValsecchiFaltstuhl im Casa Bagatti Valsecchi, Italien, Mailand, um 1530

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