(13. - 15. Jhd)
Anders als der moderne Darsteller war der mittelalterliche Mensch wesentlich seltener auf Zelte angewiesen. Auf Reisen dienten Herbergen als Unterkunft, oder man bat bei Höfen auf dem Weg um Unterkunft, schlief in der Scheune, oder rollte sich bei gutem Wetter mit seinem
Umhang
in der freien Natur zusammen, je nachdem, wie komfortabel der eigene Geldbeutel das Reisen ermöglichte. Auch im militärischen Fall sind Zelte nur eingegrenzt auf wenige Personenkreise und Anlässe nachweisbar. Bewegte sich ein Heer fort, lebte es "von dem Land", d.h. Lebensmittel und Unterkunft wurden auf dem Weg erkauft oder erzwungen. Richtete man ein längerfristiges Lager ein, blieben die Zelte den besser betuchten Teilnehmern vorbehalten. Informationen darüber, was die zahlenmässig grössere Masse tat, sind spärlich gesäht, einige Quellen und Darstellungen erlauben jedoch den Rückschluss, dass entweder Laub- und Reisighütten-oder Unterstände gebaut wurden, oder man unter den Trosswagen schlief.
Wirklich nachweisbar ist der Gebrauch von Zelten daher nur bei wirklich grossen festlichen Anlässen im Rahmen vom Orten, an denen nicht genug Unterkünfte zur Verfügung standen, wie z.B. Turnieren in der Nähe kleiner Orte oder abgelegener Befestigungen - was jedoch seltener war, da ein Turnier meist die Infrastruktur einer Stadt benötigte. Spätmittelalterliche Abbildungen zeigen Zeltlager mit teilweise reich geschmückten Zelten Adeliger, und Berichte sprechen von ungeheuer prachtvollen und wohnlich eingerichteten Zelten des Hochadels.
Die nachweisbaren Zeltformen beschränken sich auf relativ wenige Formen. Einfache Kegelzelte (->
Rekonstruktionsbeispiel bei Foracheim.de
) scheinen vor allem für Proviant und Lagerung genutzt worden zu sein, Doppelmastzelte und Pavillions für Personen. Moderne A-Förmige Konstruktionen, rechteckige Zelte oder Apsidenzelte der Frühgotik lassen sich unseres Wissensstandes für den Zeitraum jedoch nicht nachweisen.
Auch der Aufbau der Zelte gibt Raum für Spekulationen. Moderne Lösungsansätze ergaben, dass es sowohl mit als auch ohne Innenkonstruktion möglich ist, die Form eines Pavillions zu erreichen: entweder mit einer Ringkonstruktion an der Innenwand, mit einer Speichenkonstrukktion vom Mast aus, als auch durch alleinige Seilabspannungen.
Sehr verschiedene Darstellungen dieses Zelttyps über verschiedene Zeiten hinweg stützen die Theorie, dass es vermutlich verschiedene Lösungen gab.
Der vorliegende Rekonstruktionsversuch eines hoch- bis spätmittelalterlichen Zeltes wurde aus
Leinen
gefertigt. Auf Basis verschiedener Abbildungen haben wir uns für mittels Ösen einhängbare Wände entschieden, die eine flexible Öffnung des Zeltes ermöglicht, wie man es auf verschiedenen Abbildungen sieht, und somit moderne Sonnendachlösungen überflüssig macht. Der Mittelmast wurde aus einem toten, jedoch noch stabilen Baum gefertigt und mit einer handgeschmiedeten Spitze versehen, deren Ende noch mit einer Kugel geschmückt wird.
Der Mast wäre im Falle eines mittelalterlichen Lagers vermutlich vor Ort geschlagen worden. Die Speichenkonstruktion, die am Mast eingezapft ist, besteht aus gespaltenem Holz, das mit wenig Aufwand mitgeführt, oder ebenfalls vor Ort angefertigt hätte werden können.
Die Abpannun ist an 3 Punkten mit dem Dach verbunden, und die
Krähenfuss
konstruktion ermöglicht eine flexible Abspannung. Sie ist ebenfalls auf zahlreichen mittelalterlichen Abbildungen zu beobachten.
Die Zeltnägel wurden auf Basis verschiedener Funde und Abbildungen geschmiedet.
Rechts: Verschiedene Abbildungen von Zelten im Hoch-und Spätmittelalter.
A: MS Canon Class Lat. 81 f49v. Bodleian Library, von Giovanni
Bett
ini, 15.Jhd
B:Chronicles von Jean Froissard, fol 180 bnf fr2643, 15. Jhd
C: Grande Chronicles de la France, 15. Jhd
D: Chronicles von Jean Froissard, 15. Jhd
E: Romane d' Alexandre, Flandern/Nordfrankreich, ca. 1345
F: Macejowski-Bibel, Frankreich, 1250-60
Gefertigt von
Lutz Schmidt
(In unserem Besitz seit 05/2006 / Stand 28.06.2013)
Die Chroniken von Froissard
Die Chroniken von Jean Froissart (1337-1410). Der französische Chronist beschrieb die bedeutensten Schlachten und Ereignisse des 100jährigen Krieges
Alexanderroman
Der Alexanderroman, vermutlich ca. 1338-44 in Flandern (aus der Hand des flämischen Illustrators Jehan de Grise und seiner Werkstatt) entstanden, enthält Verse in französischem (picardischen) Dialekt und (ab 1400) Englisch über "Romance of the Good King Alexande" (über Alexander den Grossen), sowie illustrierte Berichte über die Reisen Marco Polos. Es stellt eine hervorragende Quelle für französische Mode um die Mitte- genauer der ersten Hälfte der 40ger Jahre- des 14ten Jahrhunderts dar.
Kreuzfahrerbibel
Die Kreuzfahrer, oder Maciejowski-Bibel, datiert auf ca. 1244-1254, wurde vermutlich von Ludwig "dem Heiligen" IX. von Frankreich (1214-1270) in Auftrag gegeben und im Pariser Raum angefertigt. Sie stellt ein wichtiges Zeugnis der bildlichen Darstellung von Mode und Sachkultur in Frankreich Mitte des 13ten Jahrhunderts dar.
Heidelberger Liederhandschrift
Die Grosse Heidelberger Liederhandschrift, auch genannt "Codex Manesse", oder Pariser Handschrift stellt die bedeutenste und berühmteste Quelle deutscher Dichtkunst des ausgehenden Mittelalters dar. Ca. im Zeitraum 1305-1340 (inklusive Nachtragsmaler) entstanden, zeigt sie in den insgesamt 138 Miniaturen ausserdem historisierend Mode des ausgehenden 13ten Jahrhunderts, sowie Mode der ersten Hälfte des 14ten Jahrhunderts.
Chronicles
Jean Froissart, Penguin Classics
Der bedeutenste Chronist des 100jährigen Krieges zwischen England und Frankreich war gleichzeitig der bedeutenste Militärchronist des Mittelalters und einer der wichtigsten Zeitzeugen seiner Zeit. Zusammen mit den Werken Chaucers ein absolutes Must-Have für Darsteller der Epoche.
0140442006 (German)
Codex Manesse
Ingo F. Walther, Insel, Frankfurt
Die große Heidelbergerliederhandschrift, auch "Codex Manesse" genannt, entstand im Zeitraum 1305-1340 und ist eine der bedeutensten Lyriksammlungen der deutschen Geschichte. In diesem Buch werden nicht nur die Farbtafeln in guter Qualität abgedruckt, sondern auch deren Inhalt und Bedeutung analysiert. Die Lieder selbst sind nicht Gegenstand des Buches.
3458143858 (German)
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