Rüstung und Waffen - Nierendolch

Einfacher Nierendolch mit Holzgriff und verzierter Scheide
Detail des Griffes mit durch Birkenbech eingegossener AngelDetail des Ortbleches nach einem spätmittelalterlichen Fund aus Messing
(1320-1500)
Der Nieren- oder Hodendolch taucht unter anderem erstmals in der großen Heidelberger Liederhandschrift auf und entwickelt sich als Beiwaffe zu einem typischen Modeaccessoir, das bis ins 16te Jahrhundert von Männern getragen wurde. Möglicherweise entstand er im späten 13ten Jahrhundert aus schweizer Dolchmessern, deren Griff erste kugelige Verdickungen zeigt. Nach 1350 wurden sie schließlich durch Gehilze aus Messing oder Eisen ergänzt.
Seinen Namen verdankt er den kugelförmigen Verdickungen am Griff, die ihm auch den Namen "Hodendolch" geben. Frontal mit der Gürteltasche , und später auch mit einer nierenförmigen Gürteltasche getragen, war er womöglich sogleich stolzes Zeichen des Bürtertums und der freien Männer, wie auch ein Phallussymbol.

In Deutschland bürgert er sich scheinbar erst relativ spät ein, während im englischen und Flämisch-franzsöischen Raum Handschriften eine Vielzahl von Nieren-oder Hodendolchen zeigt.
Als Teil der militärischen Offensivwaffen taucht er erstmalig im 14ten Jahrhundert auf, vermutlich im Zusammenhang mit der stärkeren Panzerung, die zum Beenden eines Kampfes zwischen schwergerüsteten ein Niederringen und/oder den Einsatz einer kurzen, kräftigen und tendentiell dünnen Stichwaffe nötig machten. Ungefähr im gleichen Zeitrahmen taucht auch der Begriff "Degen" für den Dolch in zeitgenössischen Textquellen auf (vergl. Scheibendolch).
 

Vorlage

Das vorliegende Exemplar wurde nach einem Fund aus England gefertigt.

Die aus Leder gefertigte und mit Schnitten und Punzierungen verzierte Scheide ist mit einem Ortblech aus Messingbronze nach einem spätmittelalterlichen Fund gefertigt.
Nierendolche in verschiedener Form sind bis weit über 1500 hinaus nachweisbar.
Nierendolch im englischen Luttrell-Psalter, ca. 1335-40
(In unserem Besitz seit 09/2003 / Stand 23.09.2016)
 

Quellangaben

Luttrell PsalterDer Luttrell-Psalter, ein ca. 1330-45 in England entstandendes Psalmbuch, ist mit eine der wichtigsten, wenn auch sicher englischen Quellen für Kleidung und Werkzeuge der arbeitenden Bevölkerung im frühen 14ten Jahrhundert.
Heidelberger LiederhandschriftDie Grosse Heidelberger Liederhandschrift, auch genannt "Codex Manesse", oder Pariser Handschrift stellt die bedeutenste und berühmteste Quelle deutscher Dichtkunst des ausgehenden Mittelalters dar. Ca. im Zeitraum 1305-1340 (inklusive Nachtragsmaler) entstanden, zeigt sie in den insgesamt 138 Miniaturen ausserdem historisierend Mode des ausgehenden 13ten Jahrhunderts, sowie Mode der ersten Hälfte des 14ten Jahrhunderts.
AlexanderromanDer Alexanderroman, vermutlich ca. 1338-44 in Flandern (aus der Hand des flämischen Illustrators Jehan de Grise und seiner Werkstatt) entstanden, enthält Verse in französischem (picardischen) Dialekt und (ab 1400) Englisch über "Romance of the Good King Alexande" (über Alexander den Grossen), sowie illustrierte Berichte über die Reisen Marco Polos. Es stellt eine hervorragende Quelle für französische Mode um die Mitte- genauer der ersten Hälfte der 40ger Jahre- des 14ten Jahrhunderts dar.
 

Empfohlene Literatur


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. Medieval Rural Life in the Luttrell Psalter .
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Medieval Rural Life in the Luttrell Psalter
Janet Backhouse, University of Toronto Press
Der Luttrell-Psalter, ein ca. 1325-45 entstandenes Psalmbuch des Geoffrey Luttrell, weisst eine für den betreffenden Zeitraum ungeheuer reiche Sammlung an Bildern des ländlichen Lebens und der arbeitenden Bevölkerung auf. In diesem Buch analysiert Janet Backhouse Werkzeuge und Methoden des betreffenden Zeitraumes anhand der farbigen Auszüge aus dem Psalmbuch.
0802083994 (German).
 

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. Codex Manesse .
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Codex Manesse
Ingo F. Walther, Insel, Frankfurt
Die große Heidelbergerliederhandschrift, auch "Codex Manesse" genannt, entstand im Zeitraum 1305-1340 und ist eine der bedeutensten Lyriksammlungen der deutschen Geschichte. In diesem Buch werden nicht nur die Farbtafeln in guter Qualität abgedruckt, sondern auch deren Inhalt und Bedeutung analysiert. Die Lieder selbst sind nicht Gegenstand des Buches.
3458143858 (German).
 

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